Die Stimme eines Autors ist sein ganz persönlicher Schreibstil. Also die Art und Weise wie er Texte schreibt, Sätze formuliert, Wörter verwendet.
Jeder Autor, der schon lange genug schreibt, hat seine eigene Stimme.
Wer gerade erst anfängt, hat einfach noch nicht seinen Stil gefunden.
Sobald ein Autor diese aber entwickelt hat, kann man ihm seine Texte zuordnen ohne, dass der Verfasser angegeben ist. Allein dadurch, dass man die Art und Weise erkennt, wie er das ganze schreibt, seine Stimme. Man weiß einfach, dass der Texte von diesem Autor sein muss, wenn man den Text liest. So schreibt nur XYZ.
Diese Stimme ist es auch, die von Ghostwritern imitiert werden muss, damit sich ein Text liest, als ob er von jemand anderem wäre.
Natürlich muss man schon ein paar Werke der Person gelesen haben, bevor man ihren Schreibstil erkennen kann. Aber diese müssten schon haufenweise vorhanden sein. Denn ohne schreiben, kann man eine solche Stimme nicht entwickeln.
Natürlich ist sie in den allerersten Werken noch nicht so klar erkennbar, aber mit der Zeit wird der Schreibstil immer markanter.
seine Stimme entwickeln
Der persönliche Schreibstil entwickelt sich erst nach jahrelanger Übung im schreiben.
Am Anfang schreibt man einfach irgendwie. Vielleicht achtet man auf Kriterien, die man von seinem Deutschlehrer gelernt hat. Aber man hat einfach noch nicht so viel Ahnung wie der ganze Prozess abläuft.
Die meisten Menschen kommen nie über dieses Stadium hinaus. Wenn man nur ab und zu mal einen Text schreibt, zum Beispiel in einer Bewerbung oder einer Email, wird man auch nicht besser.
Auch ich glaube, dass ich immer noch hier feststecke.
Wenn man aber richtig viel schreibt, beginnt das Gehirn auch die Prozesse zu automatisieren, die mehr Denkaufwand benötigen.
Zum Beispiel das Formulieren von Sätzen oder die Auswahl von Wörtern.
Ungeübte Verfasser machen hier einfach irgendetwas, von dem sie denken, dass es gut klingt.
Umso mehr Übung man hat, desto mehr wird der ganze Prozess aber vom Gehirn automatisiert. Diese Vorgänge laufen noch automatischer und unterbewusster ab.
Dabei wird dem ganzen ein ganz persönlicher Stempel aufgedrückt. Sozusagen ein Wasserzeichen von dem Gehirn, das den Text produziert. Nur dass dieses Wasserzeichen erst mit der Zeit klar sichtbar wird und am Anfang und bei den meisten Menschen immer noch verdeckt ist.
Sobald man an diesem Punkt angekommen ist, können die eigenen Texte eindeutig identifiziert werden. Man benutzt vielleicht ein ganz bestimmtes Vokabular, von dem man sich gar nicht bewusst ist. Oder der eigene Sinn für Humor fließt mit ein.
Wenn man einen Text liest, dessen Verfasser bereits seine Stimme gefunden hat, fühlt es sich an, als ob er direkt mit einem selbst redet.
Das Finden der eigenen Stimme ist also ein Ziel, das jeder Autor erreichen möchte.
Aber wie kann man den Weg dahin beschleunigen?
Den Weg Beschleunigen
Um den Weg bis zum Entwickeln der eigenen Stimme zu beschleunigen gibt es einige Möglichkeiten.
- ganz viel schreiben
- Leser vorstellen
- Text laut vorlesen
- Geschichten erzählen
ganz viel schreiben
Das ist die offensichtliche Variante. Ich habe ja schon mehrmals gesagt, dass man eine Menge schreiben muss, bevor man seine Stimme finden kann.
Aber wenn man es sich eh vornimmt, dann kann man es gleich richtig machen.
Desto regelmäßiger man etwas übt, desto schneller wird man Verbesserungen sehen. Und desto besser man beim Schreiben ist, desto früher wird sich der eigene Schreibstil entwickeln.
Es bietet sich also eine Herausforderung an wie jeden Tag 1000 Wörter schreiben. Oder etwas ähnliches… was dir halt am besten passt. Leute wie Stephen King schreiben zum Beispiel täglich mindestens 2000 Wörter. Im Gegenzug sind sie aber auch richtig gut. 😀
Kommen wir jetzt zu den nicht so ganz offensichtlichen Tricks:
Leser vorstellen
Wenn man sich eine einzige Person vorstellt, für die man schreibt, dann wird der Text gleich viel mehr wie ein Gespräch. Und das ist genau der Effekt, der auch durch das Entwickeln der eigenen Stimme erreicht wird.
Also muss man sich eine einzelne Person vorstellen. Sie kann auch völlig fiktiv sein. Hauptsache man kennt sie in möglichst vielen Details. Ihr soziales Umfeld, ihre Augenfarbe, ihre Essensvorlieben, etc. Desto plastischer man sich diesen Adressaten vorstellt, desto einfacher ist es an ihn zu schreiben. Am besten gibt man ihm sogar einen Namen.
Vielleicht kennst du ja auch Lucilius, an den Seneca seine berühmten Epistulae Morales geschrieben hat. Niemand weiß ob es ihn wirklich gibt. Vielleicht hat sich Seneca ihn auch nur ausgedacht, um seine Texte an jemand spezifischen zu richten.
Jedenfalls kommt einem das ganze auf jeden Fall wie ein Gespräch vor und es lässt sich sehr einfach lesen.
Text laut vorlesen
Auch diese Technik sorgt dafür, dass man die Texte leichter lesen kann.
Wenn man seine eigenen Texte vorliest, kann man sich immer überlegen: ist das etwas, das ich auch genau so in einem Gespräch zu einem Freund sagen würde?
So findet man Stellen, die flüssig laufen, und solche, die man lieber noch mal überarbeiten sollte.
Dadurch wird die Qualität eines Textes enorm gesteigert. Wenn sich der komplette Text von dir flüssig lesen lässt, dann können ihn auch deine Leser verstehen.
Außerdem hört sich das geschriebene dann mehr nach einem Gespräch an, was ja das erstrebte Ziel war.
Geschichten erzählen
Geschichten erzählen ist der Hauptjob eines Autors. Egal was er schreibt, es geht immer darum eine Geschichte möglichst gut zu präsentieren.
Warum also das Geschichten-Erzählen-Üben auf das Verfassen von Texten beschränken. Man kann den ganzen Tag über Geschichten erzählen.
In Gesprächen, wenn man etwas erklärt, wenn man von einem Ereignis erzählt, wenn man eine Anekdote anbringen möchte, …
Hierbei sollte man dann immer darauf achten, was die Geschichten ausmacht, die bis zum Ende angehört werden. So wird man schnell besser dabei.
Außerdem sollte man natürlich auch darauf achten, wie andere Leute Geschichten erzählen. Jeder kennt diese eine Person, die das so richtig gut kann. Von dieser kann man also noch eine Menge lernen, wenn man aufmerksam genug ist.
Oder wenn man einen Film schaut. Welche Elemente sind es, die den Film so spannenden machen, dass man ihn bis zum Ende anschauen will? Wie werden Emotionen vermittelt? Welchen Einfluss hat der Film auf meine Überzeugungen? etc.
Auf diese Weise wird man besser beim Geschichten erzählen, und kann damit dann automatisch auch bessere Texte schreiben. Und desto besser man schreiben kann, desto früher findet man seine eigene Stimme.
Aber warum sollte man das überhaupt anstreben?
Da gibt es einige Gründe, die ich jetzt aber nur kurz ansprechen werde:
- bietet Wiedererkennungswert für den Leser
- liest sich leichter
- zeigt, dass man als Autor schon weiter gekommen ist, als nur die ersten paar Texte
Außerdem kann man dann natürlich auch viel bessere Geschichten erzählen, was eindeutig eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, die man sich aneignen kann.
Hab ich schon meine Stimme? Ich glaube nicht.
Bis morgen
Julian