Nachdem ich gestern die verschiedenen Speicherfaktoren des Gedächtnisses vorgestellt habe, zeige ich euch heute wie man diese ganz gezielt in verschiedenen Mnemotechniken anwenden kann.
Das Verwenden von Mnemotechniken sorgt für eine gesteigerte Effektivität bei der Informationsspeicherung.
Kinderleicht kann man dann die gezielt abgespeicherten Informationen lückenlos – sogar in der richtigen Reihenfolge – abrufen.
Man muss nur zuerst das Verwenden solcher Taktiken üben und meistens ein bisschen Vorarbeit leisten.
An dieser Stelle muss noch gesagt werden, dass diese Techniken nicht das Verständnis des Stoffes fördern. Man kann lediglich die Details besser abspeichern.
Aber in vielen Fällen gibt es einfach nicht so viel inhärente Logik, auf die man aufbauen könnte. Wie zum Beispiel bei Vokabeln, Fachwörtern oder Namen.
Statt dem langweiligen Büffeln und Pauken kann man diese Information mit einem enormen Spaßfaktor abspeichern.
Wie genau das geht, zeige ich euch gleich.
Zuerst muss aber noch etwas klargestellt werden.
Mnemotechniken als Werkzeugkoffer
Die einzelnen Techniken, die ich euch heute zeige, eignen sich nicht für jede Anwendung.
Wie bei einem Werkzeugkoffer gibt es verschiedene Werkzeuge mit denen man unterschiedliche Aufgaben durchführen kann.
Man kann mit ihm also eine Menge verschiedene Dinge bewältigen.
Man muss allerdings zuerst üben, die einzelnen Werkzeuge zu verwenden.
Sonst bringt es einem gar nichts sie dabeizuhaben (= von den Mnemotechniken schon mal gehört zu haben).
Bevor man also seinen Mnemotechniken-Koffer nutzbringend einsetzen kann, muss man wissen, für welche Informationsarten man welche Technik anwenden sollte.
Und natürlich muss man auch ihre Anwendung üben.
Jetzt aber erst mal die Information, welche Technik bei welchen Aufgaben am sinnvollsten erscheint.
Wenn man einfach nur eine Liste von Informationen auswendig lernen muss, gibt es dafür mehrere verschiedene Möglichkeiten.
Bei den Methoden die ich heute vorstellen werde, bekommt man also Bonus neben der Vollständigkeit auch noch die richtige Reihenfolge der Informationen dazu.
Am besten geeignet für unzusammenhängende Informationen in richtiger Reihenfolge sind nämlich die Hakenwort- und die Loci-Methode.
Letztere wird manchmal auch als Gedächtnispalast bezeichnet.
Vokabeln dagegen lernt man am besten mit der Schlüsselwort-Methode.
Bei dieser wird sehr effektiv die Aussprache der Vokabel mit ihrer Bedeutung verknüpft.
Auf diese Weise kann man, sobald man das Wort hört, direkt auf seine Bedeutung zugreifen.
Schließlich werde ich auch noch das Master-System vorstellen.
Mit diesem kann man gezielt Zahlen in Wörter transformieren, die man dann viel besser abspeichern kann.
Kommen wir jetzt also zu einer detaillierteren Darstellung der einzelnen Techniken.
Hakenwort-Methode
Wie schon gesagt eignet sich diese Methode besonders gut dafür unzusammenhängende Informationen in der richtigen Reihenfolge abzuspeichern.
Zum Beispiel eine Liste mit Kunstrichtungen ohne erkennbare Reihenfolge: Dadaismus, Expressionismus, Surrealismus, Kubismus, …
Bevor man diese Technik anwenden kann, muss man dann aber erst mal ein paar Vorbereitungen treffen.
Man muss die sogenannten Hakenwörter vorbereiten und auswendig lernen.
Das muss man übrigens nur ein Mal machen. Dann kann man, sobald man die alten Informationen nicht mehr braucht, neue Informationen auf den selben Hakenwörtern aufhängen.
Für die Hakenwörter braucht man zuerst einmal eine Reihenfolge, die man bereits auswendig gelernt hat.
Zum Beispiel die Buchstaben des Alphabets: A, B, C, D, …
Da das aber noch keine besonders anschaulichen Informationen sind, überlegt man sich jetzt zu jedem dieser Buchstaben ein Wort.
Hierbei ergibt es Sinn, alle Wörter aus einem zusammenhängenden, aber nicht zu engen Bereich zu wählen. Also Tiere, oder Technik, etc.
Beispiel für 26 Tiere: Affe, Bär, Chamäleon, Dromedar, …, Wal, Seestern (wie ein X), Yak, Zebra
Sobald man diese Liste aufgestellt hat, muss man die einzelnen Tiere auswendig lernen.
An dieser Stelle ist die Vorbereitung dann abgeschlossen.
Jetzt kann man die zu lernenden Informationen mit den Hakenwörtern (den alphabetischen Tieren) verknüpfen.
Hierbei wendet man jetzt so viele Speicherfaktoren des Gedächtnisses wie möglich an, um die Information fest mit dem jeweiligen Hakenwort zu verknüpfen.
Um nochmal zu dem Beispiel mit den Kunstrichtungen zurückzukommen:
- Ein Affe lernt gerade Sprechen und singt immer nur ‚dada, dada, dada‚.
- Der Bär liefert ein Paket ab, auf dem ein großer Express-Sticker klebt.
- Ein Chamäleon singt eine Sure des Korans erstaunlich real.
- Das Dromedar hat anstatt seines Höckers einen Würfel (Cubus) auf dem Rücken.
- …
Je detaillierter man sich dabei die Situation ausmalt, desto lebhafter bleibt das ganze im Gedächtnis zurück.
Zum Abrufen der Informationen geht man jetzt einfach seine alphabetische Liste von Tieren durch und erinnert sich an die vorgestellten Situationen. Und damit auch an die abgespeicherten Informationen.
Tadaa, alles noch abgespeichert.
Diese Informationen kann man jetzt über längere Zeit abrufbereit halten, indem man sie ab und zu wiederholt.
Stattdessen kann man aber auch die Belegung der Hakenwörter verblassen lassen, und sie nach ein paar Tagen für andere Informationen nutzen.
Vielleicht hat man ja inzwischen diese Stilrichtungen mit anderen Informationen in seinem Kopf verknüpft und kann sie immer noch abrufen.
Loci-methode
Die Loci-Methode funktioniert sehr ähnlich zur Hakenwort-Methode.
Allerdings werden die Informationen noch besser abgespeichert und es lassen sich viel längere Listen memorieren.
Das liegt daran, dass man anstelle von Hakenwörtern, Stellen (=lat. Loci) in einer bekannten Umgebung auswählt.
Mit diesen Stellen werden dann wiederum unter Beachtung aller Gedächtnisfaktoren die Informationen verknüpft und man kann sie zielsicher abrufen, indem man einfach die vorbereitete Route abläuft.
Wie gerade schon angedeutet, muss man aber auch für diese Mnemotechnik erst mal ein paar Vorbereitungen treffen.
Hierfür sucht man sich in einer bekannten Umgebung eine Route von Punkten aus und lernt diese auswendig.
Das geht übrigens erstaunlich leicht.
Allerdings sollte man aufpassen, dass sich die einzelnen Punkte nicht zu nah kommen (mindestens 0.5m Abstand) und sie sich stark genug unterscheiden.
Ansonsten könnte es vorkommen, dass man sie im Kopf verwechselt oder vermischt und die mit ihnen assoziierten Informationen nicht erfolgreich abrufen kann.
Sobald man dann also eine funktionierende Route hat, kann man sie im Geiste abschreiten und eine große Menge Informationen auf ihr ablegen.
Um die Informationen dann wieder abzurufen, läuft man sie einfach wieder ab und erinnert sich an die geistigen Bilder, die man sich ausgedacht hat.
Diese Technik ist deswegen der Hakenwortmethode überlegen, da hierbei zusätzlich auch noch der Speicherfaktor Lokalisation verwendet, wird, und viel längere Routen möglich sind.
Aber was wenn man gar keine Liste von Informationen abspeichern soll, sondern stattdessen Vokabeln lernen möchte, deren Bedeutungen einem immer wieder entgleiten.
In diesem Fall ist die Schlüsselwort-Methode genau das Richtige.
Schlüsselwort-Methode
Bei dieser Methode wird die Aussprache der Vokabel aus der Fremdsprache mit ihrer Bedeutung assoziiert.
Auf diese Weise kann man, sobald man das Wort hört, sofort auf die Bedeutung zugreifen.
Aber wie genau macht man das jetzt?
Zuerst braucht man eine Vokabel.
Zum Beispiel das englische Verb ‚to nibble‘.
Jetzt überlegt man sich ein ähnlich klingendes deutsches Wort. Zum Beispiel ‚Nippel‘.
Schließlich verknüpft man dieses deutsche Schlüsselwort mit der Bedeutung ‚knabbern‘: ‚am Nippel knabbern‘
Das allein reicht vielleicht schon, um die Vokabel erfolgreich zu erinnern.
Viel einprägsamer wird das ganze aber noch, wenn man dieses Bild jetzt noch weiter ausmalt.
Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, wie ein schreiendes Baby am Nippel seiner Mutter knabbert, aber trotzdem keine Milch herauskommt.
Und man selbst ist das Baby.
Auf diese Weise, wird die Vokabel bombenfest im Gedächtnis abgespeichert.
Übrigens muss man sich keine Sorgen machen, dass das Gehirn irgendwann mit solch abwegigen Bildern überflutet ist.
Sobald man dem Wort ein paar mal in freier Wildbahn begegnet ist, verblasst das Schlüsselwort-Bild im Gedächtnis, da die Vokabel ‚auf natürliche Weise‘ abgespeichert wird.
Mit dieser Technik kann man also höchst effizient neue Vokabeln lernen.
Aber was ist, wenn man Zahlen auswendig lernen muss?
In diesem Fall kann man das schon vor Jahrhunderten entwickelte Master-System verwenden.
Master-System
Bei diesem System wird jede Ziffer einem Konsonanten zugeordnet. Da es aber mehr konsonanten als Ziffern gibt, kann man manchen Zahlen auch noch mehr (ähnlich klingende Konsonanten) zuordnen:
0 – Z (wie Zero), s, ß, weiches c
1 – T (sieht aus wie die 1), d
2 – N (hat 2 Striche)
3 – M (hat 3 Striche)
4 – R (vierter Buchstabe von vier)
5 – L (römisches Zeichen für 50)
6 – Sch (Schöner Sechser im Lotto), ch, j, weiches g
7 – K (sieht etwas ähnlich aus), ck, hartes g, c
8 – F (altdeutsches f ähnlich zu 8), v, w, ph
9 – P (Spiegelbild von 9), b
Diese Zuordnungen habe ich mir übrigens nicht selbst ausgedacht.
Als nächstes überlegt man sich für jede 2-stellige Zahl ein aussagekräftiges Wort.
Bei 43 werden zum Beispiel die Konsonanten R und M benötigt. Daraus lassen sich viele verschiedene Wörter bilden:
Raum, Reim, Rum, …
Man sollte aber ein besonders anschauliches Wort wählen, zum Beispiel RuM, und dann dabei bleiben.
Wenn man ab und zu die Wörter wechselt, mit denen man bestimmte Zahlen kodiert, kommt man schnell durcheinander.
Für 70 könnte man zum Beispiel KäSe wählen.
Außerdem sollte man darauf achten, dass die zugeordneten Wörter sich ein bisschen unterscheiden: also kann man nur Mama für 44 und Papa für 99 nehmen, wenn man verschiedene Emotionen mit beiden Personen verknüpft.
Auf diese Weise werden also immer zwei Ziffern zu einem anschaulichen Wort transformiert.
Wenn man dann längere Zahlen auswendig lernen soll, kann man diese Wörter zu einer Geschichte verknüpfen oder auf einer Loki-Route ablegen.
Um die Zahl wiederzubekommen muss man einfach nur alle Ziffern aus den Konsonanten der kodierten Wörter zurückgewinnen.
Übrigens kann man das System auch noch erweitern und beginnen 3-stellige Zahlen zu kodieren. Hierfür braucht man dann einfach Wörter mit 3 Konsonanten und das ganze funktioniert genauso.
Übung macht den Meister
Schön, dass du jetzt diese 4 verschiedenen Techniken kennst.
Das bringt dir aber noch nicht besonders viel.
Jetzt musst du noch ihre Anwendung üben, üben, üben.
Mit der Zeit wird man dann immer besser, beim Umwandeln von abstrakten Informationen in anschauliche Bilder, die man sich gut vorstellen kann.
Auch das Finden von guten Schlüsselwörtern wird mit der Zeit einfacher und man wird schneller beim Kodieren von Zahlen zu Konsonanten und andersherum.
Also streng dich an!
Übrigens: Kannst du noch alle Stilrichtungen aufzählen, die wir vorhin an Hakenwörtern aufgehängt haben?
A wie Affe war? B wie Bär war? …
Ich hoffe du wirst diese Techniken in Zukunft auch selbst anwenden können.
Bis morgen beim nächsten Teil dieser Serie (-> Überblick)
Julian
PS: Die 4 Stilrichtungen waren Dadaismus, Expressionismus, Surrealismus und Kubismus