7 Speicherfaktoren des Gedächtnisses

Heute werde ich die verschiedenen Speicherfaktoren des Gedächtnisses vorstellen, mit denen man Lernstoff besonders fest verankern kann.

Ich habe es die letzten Tage ja schon ein wenig angedeutet:

Man muss neue Informationen mit bereits bekanntem aus dem Langzeitgedächtnis verknüpfen.
Nur so hat man dann einen Weg diese Informationen verlässlich wieder abzurufen.

Das muss aber nicht auf die Weise erfolgen, die man auf den ersten Blick für die einzige hält:

Das logische Verbinden mit zugehörigem Wissen.

Stattdessen gibt es vielfältige Möglichkeiten, wie man diese neuen Informationen zum Beispiel mit der eigenen Person, verschiedenen Orten oder anderen Wörtern verbindet, die eigentlich überhaupt nichts damit zu tun haben.

Hier schon mal ein kurzer Überblick über die einzelnen Speicherfaktoren:

  • Transformation
  • Assoziation
  • Fantasie
  • Emotion
  • Logik
  • Lokalisation
  • Visualisation

Diese 7 Faktoren könnte man sich zum Beispiel mit dem Akronym TafellV merken, wobei das V eigentlich ein Häkchen darstellt, dem der Schreibfehler egal ist.

Wirkungsweise der Speicherfaktoren

Unser Gehirn liebt geradezu konkrete und anschauliche Informationen.

Lernstoff ist aber leider meistens sehr abstrakt und unanschaulich. (z.B. Jahreszahlen, Vokabeln, Fachbegriffe, Fremdwörter oder Namen)

Mithilfe der Speicherfaktoren kann man jegliche abstrakten Informationen zu konkreten und anschaulichen transformieren.

Hierdurch kann unser Gehirn bzw. das Gedächtnis wesentlich effizienter und leistungsfähiger arbeiten.

Transformation

Dieser erste Trick benutzt noch gar keine speziellen Fähigkeiten unseres Gedächtnisses.

Es geht lediglich darum neue Informationen durch Transformation in anschauliche Informationen umzuwandeln.

Jeder kennt den Effekt, dass man sich bestimmte Zahlen besonders gut merken kann. Zum Beispiel 007 oder 0815.

Hierbei wurden diese abstrakten Zahlen bereits fest im Gedächtnis verankert.

Davon kann man jetzt profitieren, indem man eine neue Information, z.B. das Datum 15. August, zu dieser bekannten Information transformiert: 15. August -> 15.08. -> 08-15 -> 0815. Wenn man sich dann noch überlegt, dass das Datum 15. August eigentlich gar nicht so gewöhnlich (0815) ist, hat man die Information gleich noch besser abgespeichert.

Bei Namen würde man zum Beispiel so vorgehen, dass man ähnlich klingende Wörter findet:

  • Martin wird zu Martini
  • Sarah wird zu Sahara
  • Anne wird zu Kanne

Manche Namen kann man nicht so einfach transformieren. Manchmal muss man zum Beispiel drei oder vier Wörter benutzen, die man dann aber auch in einer fantasievollen Geschichte miteinander verknüpft.

Diese Transformation von neuen Informationen in bekannte reicht meistens schon aus um dieses Wissen deutlich besser abzuspeichern.

Man kann aber an dieser Stelle noch deutlich weiter gehen und einen der folgenden Tricks verwenden, die den Stoff noch besser im Gedächtnis verankern.

Zuerst aber erst noch eine andere Sache:

Assoziation

Tief unter der Oberfläche funktionieren all diese Speicherfaktoren über das Prinzip der Assoziation.

Das liegt daran, dass unser Gedächtnis nun mal so funktioniert, das alle abgespeicherten Informationen über die verschiedensten Verbindungen miteinander verknüpft sind.

Diesen Speicherfaktor kann man aber auch ganz gezielt einsetzen. Und zwar auf 2 Arten.

Entweder man assoziiert 2 neue Informationen miteinander oder man assoziiert eine neue Information mit einer alten.

Gemeinsam ist beiden Arten, dass man lediglich eine Gemeinsamkeit beider Informationen braucht, um sie miteinander zu verknüpfen. Je mehr Gemeinsamkeiten es dabei gibt, desto besser klappt das Ganze.

Zum Beispiel könnte man bei Variante 1 (neu-neu-Assoziation) die gerade neu erfahrene Information, dass es in der Milchstraße etwa 100 Milliarden Sterne gibt, mit der Information, dass unser Gehirn aus circa 100 Milliarden Neuronen besteht, verknüpfen.
Hierfür stellt man sich einfach vor, dass alle Sterne der Milchstraße als Gehirnzellen in unserem Kopf sind.
Die Tatsache, dass Sterne Licht und Neuronen elektrische Signale aussenden stärkt dabei das Assoziationsnetz zusätzlich.

Die zweite Variante (neu-alt-Assoziation) funktioniert entsprechend.
Man muss lediglich sein Langzeitgedächtnis nach einer Information durchkämmen, die genug Gemeinsamkeit mit der zu lernenden hat, dass man sich das ganze gemeinsam vorstellen kann.

Hierdurch wird zum einen die Information aus dem Langzeitgedächtnis fester in diesem verankert(, da sie aufgrund der Benutzung als wichtig erscheint). Zum anderen profitiert auch die neue Information von der Beständigkeit (immerhin hast du es dir bis jetzt gemerkt) der alten Information.

Außerdem wird durch diese Assoziation die neue Information wie an einem Seil direkt in das Langzeitgedächtnis hineingezogen.

Man könnte jetzt natürlich einwenden, dass man für diese Assoziationen erst mal etwas wissen muss, bevor man diese Speicherfaktoren anwenden kann.

Es stimmt dabei auch, dass es umso leichter geht, desto mehr man weiß, etwas besonders gut passendes zu finden.

Allerdings sind bereits Vorschulkinder mit genug Wissen ausgestattet, um diese Technik gewinnbringend anzuwenden.

Also, ein bisschen Anstrengung und Kreativität muss sein. Aber genau hierdurch wird die Information ja besonders gut abgespeichert.

Kommen wir nun zu den Speicherfaktoren, wo der Spaß am Lernen beginnt:

Fantasie

Viele meinen, dass es besonders gut ist, den Lernstoff auf das absolut wesentliche zu reduzieren.

Wenn das durch eine selbst-erstellte Zusammenfassung geschieht, wird der Stoff hierbei natürlich noch besser abgespeichert.

Aber eigentlich bewirkt gerade das Gegenteil, also die kreative Ausschmückung des Stoffes mit weiteren Informationen, ein besonders langfristiges Abspeichern.

Hierbei verhält sich die Fantasie zum Lernstoff wie das Geschenkpapier zum Geschenk.

Das Geschenk, das man ausgesucht hat, kann noch so gut sein, ohne Geschenkpapier wird es vermutlich zu Enttäuschung führen. Wenn man es dagegen einpackt, wird es durch die Spannung und den Überraschungseffekt des Auspackens in den Augen des Empfängers enorm aufgewertet.

Ähnlich verhält es sich mit der Fantasie.

Wenn man den Lernstoff mit Fantasie ausschmückt, wird er spannender und überraschender und dadurch in seinem Erinnerungswert aufgewertet.

Wenn man sich zum Beispiel das Geburtsjahr von Karl dem Großen merken soll (747 n. Chr.), könnte man das zum Beispiel zu einem der größten Passagierflugzeuge, der Boeing 747 transformieren. Das hilft schon mal.

Wenn man sich dann aber noch vorstellt, wie das kleine Baby Karl in der riesigen Boeing 747 geboren wird, gewaltig schreit und dabei so kahl (klingt wie Karl) ist wie die Außenhaut des Flugzeuges, dann kann man diese Information eigentlich gar nicht wieder vergessen.

Man könnte jetzt natürlich meinen, dass der Lernaufwand größer wird, da man ja unnötige Informationen zum Lernstoff hinzufügt.

Allerdings wird durch diesen ‚Fantasie-Kleber‘ eine langfristige Abspeicherung im Gedächtnis erreicht.

Der erhöhte Zeitaufwand ist also durchaus gerechtfertigt. Immerhin spart man viel Zeit, da dieser mit Fantasie verankerte Lernstoff seltener wiederholt werden muss.

Außerdem macht das Lernen gleich viel mehr Spaß, wenn man sich solche witzige Geschichten ausdenkt. Und die Motivation wird aufrechterhalten, wodurch die Lernzeit effektiver genutzt wird.

Zuletzt wird natürlich durch diese häufige bewusste Aktivierung der eigenen Kreativität und Fantasie diese wichtigen mentalen Eigenschaften ganz nebenbei trainiert.

Beschenke dich also selbst mit dem kostbaren Gut Wissen.

Aber erst nachdem du es mit deiner Fantasie kreativ verpackt hast.

Dein Gedächtnis wird begeistert sein und dir dauerhaftes Behalten des Gelernten zurückschenken!

Emotion – der EGO-Effekt

Bei diesem Speicherfaktor handelt es sich um eine evolutionär gesehen, sehr sinnvolle Sache.

Informationen, die einen selbst betreffen, werden nämlich besonders gut abgespeichert.

Das kann man sich auch für das eigene Lernen zunutze machen.

Hierfür kann man sich zum Beispiel in die geschichtliche Situation hinein versetzen und versuchen das Handeln der Personen nachzuvollziehen.

Oder man sucht nach Parallelen in seinem eigenen Leben: Wann hat man selbst einmal Rachegelüste verspürt? Wann wurde man selbst das Opfer einer Intrige?

Oder man überlegt sich die Auswirkungen dieser Information auf einen selbst. Was würde es für mein Leben bedeuten, wenn wir ein anderes Rechtssystem hätten?

Durch diesen Bezug zur eigenen Person werden die entsprechenden Informationen dann deutlich effektiver abgespeichert.

Logik

Jeder kennt diesen Effekt.

Dinge, die man verstanden hat, behält man besonders gut.

Man sollte also immer nach der zugrundeliegenden Logik suchen.

Dann kann man den Stoff auf einem wirklich tief-gehenden Level verstehen.

Aber was wenn keine intrinsische Logik vorhanden ist?

Ganz einfach, man erfindet einfach seine eigenen (pseudo-)logischen Erklärungen.

Zum Beispiel lag der Schwerpunkt der PISA-Studie von 2009 auf der Kompetenz der Schüler im Lesen. 2012 bei der Mathematik, 2015 bei den Naturwissenschaften.

Ist doch logisch!

Sie gehen offensichtlich nach dem Alphabet vor: Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften, …

Das ist zwar eine ziemlich weit hergeholte Vermutung. Trotzdem hilft das einem enorm dabei, sich diese Informationen zu merken.

Lokalisation

Ein weiterer evolutionärer Vorteil.

Es war natürlich essentiell sich an die genauen Orte von Gefahren, Essensquellen, etc. zu erinnern.

Und das Ganze haben wir natürlich noch nicht wieder verlernt.

Ein kleines Beispiel: Besitzt du eine Zahnbürste?

Während du diese Frage beantwortet hast, hast du dich vermutlich im Kopf an ihren Aufbewahrungsort versetzt gefühlt.

Wie sieht es mit einem Kühlschrank aus?

Plötzlich steht man im Geiste vor dem Kühlschrank.

Diese Fähigkeit zur genauen Verbindung von Informationen mit Orten kann man auch ganz gezielt einsetzen.

Eine ziemlich ausgereifte Technik ist hierbei die sogenannte Loki-Methode. Diese werde ich morgen noch mal genauer vorstellen.

Hier aber schon mal ein kurzer Überblick.

Im Prinzip lernt man einfach eine Liste von Stellen in seiner eigenen Wohnung auswendig (was erstaunlich leicht geht). Dann muss man nur noch die zu lernenden Informationen mit diesen Orten verknüpfen.

Um sie wieder abzurufen, geht man dann einfach die Orte der Reihe nach ab und kann sich an alles erinnern.

Morgen genauere Informationen! 😀

Visualisation

Hier noch einmal eine kleine Erinnerung an den Anfang:

Die meisten Menschen lernen rein abstrakt und verbal.

Viel besser werden die Informationen dagegen abgespeichert, wenn man sie konkret und anschaulich gestaltet.

Hierfür stehen einem eine ganze Palette von Sinnen zur Verfügung.

An dieser Stelle kommt also die Visualisation ins Spiel. Der Name ist dabei vielleicht etwas ungünstig gewählt, allerdings kommen ja 80% der zum Gehirn führenden Nervenleitungen von den Augen.
Der Sehsinn scheint also sehr wichtig zu sein.

Trotzdem sollte man die anderen Sinnesempfindungen nicht außen vor lassen.

Wenn man sich Informationen möglichst bunt und detailreich im Kopf vorstellt, ist es sehr effektiv auch noch ein paar Gerüche und Geräusche hinzuzufügen.

Je lebendiger man sich die ganze Situation vorstellt, desto besser wird sie auch abgespeichert.

Generelle Tipps

Im Prinzip sollte man eine Information auf so viele verschiedene Arten wie möglich abspeichern.

Immerhin reicht es aus nur eine dieser Assoziationen wiederzufinden, um die ganze Information sicher wieder abrufen zu können.

Als kleiner Nebeneffekt sinkt bei der Verwendung dieser Speicherfaktoren, die Anzahl der belegten Chunks im Kurzzeitgedächtnis.

Auf diese Weise kann man mehr lernen, bevor die Anfangsinformationen wieder aus dem Kurzzeitgedächtnis herausgefallen sind.

Bis dahin sind sie ja hoffentlich schon im Langzeitgedächtnis zumindest vorübergehend verankert.

Als nächstes muss man sie dann also rechtzeitig wiederholen, bevor sie dem Teufel des Vergessens anfallen.

Morgen gibt es dann verschiedene Mnemotechniken, die diese Speicherfaktoren ganz gezielt anwenden, um Informationen besonders langfristig im Gedächtnis zu verankern.

Bis Morgen

Julian

PS: dieser Artikel war der 3. Teil einer Serie zum ‚das Lernen lernen‘. Hier geht’s zum Überblick über alle Teile.

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