Aktiv Zuhören ist die höchste Kunst des Gespräches

Im Englischen unterscheidet man hearing(hören) und listening(zuhören). Im Englischen unterscheidet sich nicht nur der Wortstamm, wie sich herausstellt, sind das in beiden Sprachen auch ziemlich verschiedene Konzepte. Zuhören, genauer gesagt aktiv Zuhören ist noch viel mehr, als einfach nur die Laute zu hören, die jemand anderes mit seinem Mund produziert.

Man kann etwas hören ohne zuzuhören und taube Personen können dir durch Lippenlesen zuhören ohne dich tatsächlich zu hören. Die zweite Aussage ist allerdings ein bisschen geschummelt. Hierbei wurden zwar nicht die Ohren des Zuhörers verwendet, um die Worte des Sprechenden zu hören, verstanden wurden sie allerdings trotzdem.

In der Hinsicht ist das hören also doch eine Voraussetzung für das Zuhören. Zumindest insofern, wie man hören als ein vernehmen der gesagten Wörter und sonstigen Kommunikationssignale versteht. Zuhören ist praktisch eine Steigerung von einfach nur hören.

Wie gut kannst du Zuhören?
Oder, was noch relevanter ist, wie gut kannst du aktiv Zuhören?

Verschiedene Varianten von Zuhören

Wer schon mal ein Gespräch geführt hat, weiß, dass es verschiedene Varianten gibt, mit denen man jemandem zuhören kann. Man könnte die Intensität der Aufmerksamkeit des Zuhörers auf einer Skala von passiv über selektiv bis aktiv Zuhören beschreiben. Und das ist auch durchaus relevant.

Je nach Interesse, das dein Gegenüber so bezüglich deiner Aussagen zeigt, ruft das positive oder negative Gefühle hervor. Insbesondere wirst du dich auch nur aktiven Zuhörern einigermaßen leicht öffnen können. Mit ihnen kannst du dann auch problemlos persönlichere Gewässer als langweiligen Smalltalk befahren.

Wärst du gerne jemand, mit dem man sich so wunderbar unterhalten kann, dass man gar nicht merkt, wie man sich dir öffnet? „Gar nicht merkt“ im Sinne von es ist eindeutig nicht unangenehm und man macht es gerne.

Das hängt (fast vollkommen) von einer einzigen Fähigkeit ab. Wie gut kannst du Zuhören?

passiv Zuhören

Das ist die Variante, die mit dem wenigsten Aufwand verbunden ist. Du schenkst dem Gesagten doch hin und wieder mal deine Aufmerksamkeit, ansonsten denkst du aber durchaus auch an andere Dinge. Du bist einfach nicht wirklich an dem interessiert, was gesagt wird.

Das ist vielleicht angebracht, wenn du eine Konferenz besuchst oder wie jeden Abend vor dem Fernseher sitzt. Aber sobald du dich in einem Gespräch befindest, reicht das schon lange nicht mehr aus.

Ein Gespräch erfordert einfach eine gewisse mentale Präsenz, die beim passiven Zuhören nicht gegeben ist. Man merkt es seinem Gesprächspartner einfach an, wenn der gerade an komplett andere Dinge denkt, als das, was man ihm eigentlich erzählen will.

Und wenn du der Schuldige bist, der nicht zuhört merkt man es auch dir an. Das kann man nicht verstecken. Wenn du gerade dringend über etwas anderes Nachdenken musst, aber gleichzeitig auch nicht das Gespräch unterbrechen willst, kannst du es lediglich mit dem selektiven Zuhören aus dem nächsten Abschnitt versuchen.

Aber passiv Zuhören in einem Gespräch ist höchst gefährlich. Wenn der andere auch nur ein geringes Interesse daran hast, dass du dich ihm tatsächlich zuhörst, wird er dein Desinteresse sofort bemerken. Genau das symbolisiert passives Zuhören nämlich: einfach nicht interessiert sein.

Und das wird dann schnell auf fehlende Zuneigung oder mangelnden Respekt deinerseits übertragen. Passiv Zuhören fördert also praktisch nur negative Gefühle.

Da ist es eindeutig besser, wenn du die Variante anwendest, die die meisten von uns bereits beherrschen:

selektiv Zuhören

Bei dieser Variante wendest du sporadisch hin und wieder ein kleines bisschen aktives Zuhören an. Gerade so viel, dass der andere denkt, du hörst ihm zu. In den Pausen kannst du dann wieder an andere Dinge denken.

Das hat dann natürlich den Nachteil, das du nicht wirklich viel vom Gesagten mitbekommst und dir auch die größere Aussage vermutlich vollkommen verborgen bleibt. Damit erfüllst du nicht wirklich das Bedürfnis, weswegen die meisten Menschen ein Gespräch suchen.

Wenn man sich öffnet und jemandem etwas erzählt, hat das erst mal einen Grund: Man möchte verstanden werden. Danach kommen vielleicht noch sekundäre Motive dazu. Vorerst ist es aber nur das: Man möchte verstanden werden.

Jeder möchte verstanden werden. Und solange du nur selektiv einzelnen Sätzen zuhörst, wirst du den anderen nicht verstehen können. Dafür braucht es schon eine stärkere Variante: aktives Zuhören

aktiv Zuhören

Aktiv Zuhören könnte man auch als tatsächlich Zuhören paraphrasieren. Denn darauf läuft es letztendlich hinaus. Anstatt mit halbem Ohr hinzuhören und deine Aufmerksamkeit gleichzeitig anderen Dingen widmen, hörst du tatsächlich zu. 100%.

Wenn du auf das Zuhören konzentriert bist, bist du mental präsent. Du achtest genau auf das, was der andere sagt. Du formulierst nicht schon mal schnell deine eigene Antwort auf das gesagte im Kopf, sondern du hörst tatsächlich aufmerksam zu.

Aktiv Zuhören bedeutet nicht nur volle mentale Präsenz, du musst auch unterdrücken selbst zu sprechen. Der andere möchte etwas loswerden. Es hilft nicht, wenn du versuchst seine Sätze für ihn zu vervollständigen. Unterbrich ihn nicht. Wenn es dir ganz schwer fällt nichts zu sagen, übe dich in folgender Technik:

Im Kopf bis 2 zählen, bevor du selbst etwas sagst. So hast du ein kleines bisschen Zeit zum überlegen, was du antworten willst, und bist dir gleichzeitig auch sicher, dass du jetzt etwas sagen sollst. Manchmal machen Leute kleine Pausen beim Sprechen. Es ist nicht deine Aufgabe diese Pausen zu füllen. Warte, bis der andere fertig ist.

Manche Leute nehmen beim aktiven Zuhören auch eine gewisse nach vorne gelehnte Position ein. Sich dem anderen entgegen zu lehnen symbolisiert nun mal Interesse. Und wenn du das dann auch noch mit hervorragendem Augenkontakt verbindest, kann sich der andere sicher sein, dass du ihm deine volle Aufmerksamkeit schenkst.

häufige Fehler

Dieses Wissen dient übrigens nicht dazu anderen hinters Licht zu führen. Vielmehr möchte ich dir ermöglichen auf eine Weise zuzuhören, die dein tatsächliches Interesse widerspiegelt. Wäre doch doof, wenn sich tolle Gespräche in Luft auflösen, nur weil du nicht zuhören kannst.

Aber mit dem bisher beschriebenen ist es noch nicht getan. Manchmal musst du paradoxerweise beim aktiven Zuhören auch mal etwas sagen. Wenn du dich komplett auf das Aufnehmen des Gehörten beschränkst, schaffst du keine so gute Verbindung, wie du könntest.

Aber was genau solltest du sagen? An manchen Stellen bieten sich kleine Einschübe deinerseits an. Hiermit kannst du verdeutlichen, was du bisher vom Gesagten verstanden hast und der Andere hat dann die Möglichkeit sich nochmal klarer auszudrücken. Also im Sinne von: „du willst also sagen, dass du …“ oder „du hast also …“.

Nicht so gut kommen folgende oft gut gemeinten Aussagen an, bei denen nur leider der Fokus von deinem Gegenüber auf dich gelenkt wird. Und das findet der Gegenüber nun mal nicht so angenehm. Ich meine zum Beispiel „Mir ging das auch schon mal so“ oder „das kenne ich von da und da“. So etwas solltest du lieber vermeiden.

Der Zweck dieser Aussagen ist es dem anderen klar zu machen, was von seinem Anliegen bis jetzt bei dir angekommen ist.

Nur so kann sich echtes Verständnis aufbauen und das ist doch das Ziel eines Gesprächs, oder?

Die richtigen Fragen stellen

Manchmal ist aber auch mehr von dir verlangt als eine kurze Bestätigung, wie viel du schon mitgekriegt hast.

An diesen Stellen bietet sich es meistens an eine weiterführende Frage zu stellen, die dir erlaubt den anderen noch besser zu verstehen oder – wenn du die Sache schon so gut verstehst – ihm ermöglicht selbst eine Lösung zu entdecken.

Nur wenn du direkt nach deinen Ideen gefragt wirst, darfst du deine eigenen Lösungen vorstellen. Ansonsten wird nur deine objektive Sichtweise benötigt, die es dir ermöglicht den anderen auf die richtige Bahn zu lenken.

Du musst aber aufpassen. Es gibt verschiedene Sorten von Fragen. In diesem Fall unterscheide ich einfach mal offene und geschlossene:

Geschlossene Fragen lassen sich mit Ja oder Nein beantworten, offene Fragen laden dagegen zu längeren Ausführungen ein. In diesem Fall möchtest du natürlich die zweite Variante verwenden. Ansonsten musst du ja in ein paar Sekunden schon wieder etwas sagen und aktiv Zuhören heißt nun mal zuhören, weil du dabei deutlich mehr zuhörst als selbst sagst.

Kannst du aktiv Zuhören?

Julian

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