Stufe 1: Die gewöhnliche Welt

Die gewöhnliche Welt ist im Prinzip ein Plateau zwischen zwei Abenteuern. Es gab vorher eins, durch das diese gewöhnliche Welt entstanden ist, und es wird wieder eines kommen, das eine neue gewöhnliche Welt nachziehen wird. Und diese wird dann durch das nächste Abenteuer wieder verändert werden.

Das ist eine sehr praktische Sicht auf Geschichten, die dir viel über die sinnvollste Position von bestimmten Aspekten und Informationen in ihr verrät. Wenn du also eine eigene Geschichte schreiben willst, solltest du auf jeden Fall über dieses Modell Bescheid wissen. Immerhin ist die gewöhnliche Welt (in verschiedenen Ausprägungen) wichtig sowohl für den Beginn, als auch für das Ende der Geschichte.

Folgendes ist der essentielle Ablauf jeder Geschichte: Sie beginnt in einer für die Hauptpersonen gewöhnlichen Welt, in der Veränderung aber bereits in der Luft liegt. Dann beginnt das Abenteuer, wodurch die spezielle Welt der Story betreten wird. Und ganz am Ende wird entweder diese spezielle Welt zur neuen gewöhnlichen Welt oder die Hauptpersonen kehren verändert zu ihrer mindestens dadurch auch veränderten gewöhnlichen Welt zurück.

Jegliche absichtliche Veränderung in der Welt der Geschichte wird also durch das Abenteuer bewirkt. Und bevor das Abenteuer beginnen kann, müssen wir als Leser erst mal die gewöhnliche Welt verstehen.

die gewöhnliche Welt

Im Folgenden werde ich ein paar der wichtigsten Funktionen aufzeigen, die die gewöhnliche Welt in deiner Geschichte zu erfüllen hat. Und wenn du dann deine eigene Geschichte aufschreibst, wirst du dich hoffentlich an sie erinnern und erfolgreich in deine Bemühungen integrieren. Dadurch wird der Anfang deiner Geschichte qualitativ enorm aufgewertet und noch mehr Leser werden bis zum Abenteuer kommen, wegen dem du sie eigentlich schreibst.

Einfach mit dem Abenteuer beginnen geht nun mal nicht. In der gewöhnlichen Welt kann es natürlich auch schon Spannung und Konflikt geben, so richtig ins Rollen wird die Geschichte aber erst kommen, sobald die spezielle Welt betreten wurde. Und dieser Teil der Geschichte, der sich noch in der gewöhnlichen Welt abspielt, ist nicht zu unterschätzen. Genauer gesagt umfasst er den kompletten ersten Akt des Buches. Erst mit dem Überschreiten der ersten Grenze zum Ende des ersten Akts wird die spezielle Welt der Geschichte betreten, in der das Abenteuer erlebt wird, das so komplett neu für alle beteiligten ist.

Kontrast

Hier sind wir auch schon bei der ersten notwendigen Eigenschaft. Die gewöhnliche Welt sollte sich von der speziellen Welt der Geschichte deutlich unterscheiden. Erst dann wird das Abenteuer zu etwas wirklich besonderem werden, das man als Leser unbedingt weiter verfolgen möchte.

Trotzdem sollte die Notwendigkeit zur Veränderung, die später durch die spezielle Welt realisiert wird, bereits in der Luft liegen. Erst dann erscheint das Abenteuer legitim und nicht einfach nur aus der Luft gegriffen. Und das wäre ja wohl eindeutig nicht erstrebenswert.

dramatische Frage

Wird die Hauptperson [XY] erreichen? Von einer solchen, großen Frage, die das ganze Buch umspannt, wird jede Geschichte angetrieben. Und in der gewöhnlichen Welt wird sie bereits gestellt.

Dabei muss sie natürlich nicht explizit ausformuliert werden, aber die beschriebenen Ereignisse sollten im Leser genau diese Frage erwecken. Er wird dann das Buch weiterlesen müssen, um herauszufinden, wie die Antwort letztendlich lauten wird und wie es dazu gekommen ist.

Und gleichzeitig sollte natürlich auch klar werden, was denn eigentlich alles auf dem Spiel steht. Wenn die Hauptperson im Falle ihres Versagens lediglich blamiert wird, werden viele die Geschichte mit einem Achselzucken abtun. Geht es dagegen um Leben und Tod einer Figur, die man wertzuschätzen gelernt hat, ist man plötzlich stark involviert. Dann wird der Leser gepackt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Und was noch an dieser Stelle passiert: der Ton der Geschichte wird festgelegt. Sei also vorsichtig, wie du den Anfang deiner Geschichte aufbaust. Vielleicht kommst du sonst nicht mehr logisch in die Richtung, in die du eigentlich wolltest.

Backstory

Auch das wird in diesem Teil der Geschichte enthüllt. Oft kann sie gar nicht beginnen, ohne dass der Leser gewisse Teile der Backstory erfahren hat. Sie angemessen dem Leser zu präsentieren ist allerdings eine Kunst in sich. Wie immer beim guten schreiben, geht es darum es nicht einfach so zu sagen. Vielmehr musst du es indirekt durch Konflikte, Reaktionen, Verhaltensweisen, Ereignisse enthüllen, sodass der Leser es sich selbstständig zusammensuchen und verstehen muss.

Hierdurch wird der Leser involviert anstatt bevormundet. Und das sorgt für eine viel größere Identifikation mit den Charakteren und der gesamten Geschichte. Diesen Effekt solltest du dir eindeutig nicht entgehen lassen.

Du musst Backstory enthüllen, damit die Geschichte beginnen kann, aber mache es auf eine indirekte Art und Weise, sodass der Leser maximal involviert wird.

Hauptperson vorstellen

Das ist eigentlich der wichtigste Punkt: die Hauptperson muss den Lesern vorgestellt werden, sodass eine gewisse Identifikation entstehen kann und dadurch Interesse, die Geschichte weiter zu lesen. Und am besten geschieht das in einem für die Hauptperson bereits gewohnten Umfeld (die gewöhnliche Welt). Hier kann sie den besten ersten Eindruck machen, bevor es zu stressig wird.

Es gibt aber auch ein paar essentielle Informationen, die hier klar werden müssen: Welche Probleme hat die Hauptperson gerade? Erst bei einem äußeren und einem inneren Problem wird ihre Menschlichkeit so richtig glaubhaft. Wir Menschen haben andauernd irgendwelche Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Welche Makel hat die Hauptperson? Auch das ist eine sehr menschliche Eigenschaft. Niemand ist perfekt. Welches universale menschliche Bedürfnis ist am stärksten in ihrem Leben? Wie erfüllt die Hauptperson es normalerweise?

Und dadurch, dass klar wird, dass die Hauptperson auch nur ein Mensch ist, können wir uns letztendlich sehr stark mit ihr identifizieren. Und diese Identifikation ist wichtig. Sobald wir mitfühlen können, fühlen wir mit. Und erst dann kann die Geschichte ihre komplette emotionale Wirkung entfalten.

Da das die Hauptaufgabe einer Geschichte ist, darfst du diesen Abschnitt nicht unterschätzen. Stelle die Hauptperson richtig vor!

weitere wichtige Informationen

Dieser letzte Abschnitt ist eine kleine Sammlung der Dinge, die ich vorher noch nicht untergebracht habe. Zum Beispiel können in der gewöhnlichen Welt bereits Ereignisse vor-angekündigt werden, die später in der speziellen Welt auf eine ähnliche Weise geschehen werden. Auf diese Weise wird der innere Zusammenhang der Geschichte gestärkt.

Außerdem wird noch eine weitere Sache festgelegt, die das ganze Buch durchwebt: das Thema. Welches eine Wort, welcher eine Satz beschreibt die eine Sache, um die es unter der Oberfläche in deinem Buch geht? Das könnte zum Beispiel Rache, Freundschaft, Magie ist gefährlich, oder was auch immer sein. Aber was es auch ist, du musst es jetzt schon beginnen, damit es dein ganzes Buch zusammenbinden kann.

Und sobald du ein kleines bisschen Vorarbeit geleistet hast, geht die Spannung los. Veränderung liegt ja schon in der Luft, aber erst der Ruf zum Abenteuer oder das erregende Moment zieht nach einer anfänglichen Ablehnung das Betreten der speziellen Welt nach sich. Kommst du so weit?

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