50000 Wörter in 30 Tagen schreiben

50000 Wörter ist ziemlich viel. Wer das nicht erkennt, hat noch nie einen längeren Text verfasst und dabei die Worte gezählt.

Zur Verdeutlichung: schon 1000 Wörter benötigen 5min zum Lesen aber etwa 1h zum Schreiben. Unter 30min ist das mit dem Schreiben eindeutig nicht möglich. Wie sieht es dann bei einem ganzen Roman aus? Hier braucht man schon mehrere Stunden, um ihn zu lesen. Die Schreibzeit ist aber umso länger. Selbst bei maximaler Tippgeschwindigkeit, braucht man immer noch über 24h.

Und niemand schreibt 24h am Stück mit maximaler Geschwindigkeit. Man muss doch erst mal herausfinden, was man überhaupt schreiben will.
bei voller Geschwindigkeit trotzdem über 24h. Noch dazu hält man gar nicht so lange durch. Man verteilt das Schreiben des ersten Entwurfs also auf mehrere Sitzungen. Meistens sogar sehr, sehr viele. Und jedes Mal, wenn man neu anfängt, kann man gar nicht mit maximaler Geschwindigkeit schreiben. Die benötigte Zeit, wenn man so schnell wie möglich ist, wächst und wächst immer weiter. Bei 30 Sitzungen mit etwa gleich großen Zeitblöcken, ist man bei maximaler Geschwindigkeit schon bei über 40h. Und das ist auch nur möglich, weil man in den Pausen Zeit hat, sich Gedanken über den Plot zu machen.

Mit anderen Worten, niemand hat die Zeit und die Energie um 50000 Wörter am Stück zu schreiben. Man muss es auf mehrere Tage aufteilen und die dadurch nur noch größere Aufgabe in kleinen Häppchen angehen. Durchschnittlich 1667 Wörter pro Tag kann jeder schaffen. Selbst wenn man die Hälfte der Zeit nur auf das leere Blatt schaut, ist man dann nach 3h auch wieder fertig und darf sich anderen Dingen zuwenden.

Und trotzdem schaffen auch das nicht alle. Es gibt sogar einen extra Wettbewerb dafür. Wer es tatsächlich schafft innerhalb von 30 Tagen 50000 Wörter oder mehr zu schreiben gewinnt NaNoWriMo. National Novel Writing Month.

50000

Das ist das Ziel bei NaNoWriMo. Du sollst es schaffen innerhalb nur eines Monats eine komplette erste Fassung von einem Roman zu schreiben. Aber weil jeder Roman eine andere Länge hat, wurde die Grenze auf die Mindestmenge an Wörtern gesetzt, die ausreichen, sodass eine Geschichte eine angemessene Länge hat. Eben 50000. Manche Genres erwarten allerdings durchschnittlich noch viel mehr. Wer hier einen ganzen Roman im November schreiben möchte, muss sich zusätzlich anstrengen und ein viel höheres Ziel anstreben. Das wird aber gar nicht erwartet. Wer 50000 Wörter vorweisen kann, gilt automatisch als Gewinner.

Dieser Wettbewerb ist allerdings nicht nur dazu da von dir in kürzester Zeit unglaubliche Mengen Text zu verlangen. Er wurde erschaffen, um möglichst vielen Menschen zu ermöglichen eine Gewohnheit des täglichen Schreibens zu entwickeln. Denn wer für 30 Tage, jeden einzelnen Tag 1667 Wörter schreibt, der erschafft dafür bestimmte Strukturen, die es ihm ermöglichen jeden Tag aufs neue derartige Leistungen zu bringen. Und wer möchte, kann diese Strukturen nach dem November einfach behalten. Das ist der größte Preis, den man bei NaNoWriMo gewinnen kann: eine Gewohnheit des Schreibens, mit der du genug Textvolumen produzierst, um in der Welt der Autoren eine Chance zu haben.

Natürlich gibt es auch noch andere Preise, die sich aber meistens auf gesponserte Rabatte auf bestimmte Schriftsteller-Produkte, aber auch Zugang zu exklusivem Merch beschränken. Kein Non-Profit könnte sonst die Millionen von Gewinnern jedes Jahr aufrecht erhalten. Es wird auch jetzt schon von den Spenden der Teilnehmer getragen, die das jährliche Event lieben gelernt haben.

Entsprechend den großen Zahlen funktioniert das Gewinnen auch auf ganz automatische Art und Weise. Man muss lediglich den Text seines Romans in das Eingabefeld eines Wort-Zählers kopieren und wer dann auf 50000 oder mehr kommt, zählt automatisch als Gewinner. Das funktioniert also nur auf Vertrauensbasis. Man könnte genauso gut komplett zufällig generierten Text verwenden und zählt auch als Gewinner. Die wahre Belohnung liegt also in der persönlichen Entwicklung des Teilnehmenden.

persönliche Entwicklung

An NaNoWriMo teilzunehmen bedeutet oft einen deutlich höheren Output an Text pro Tag zu generieren, als man vielleicht vorher in Wochen geschafft hat. Es wird nicht ohne Grund als Wort-Sprint bezeichnet.

kleine Schritte

Gleichzeitig ist das Ziel von 50000 Wörtern aber auch nicht überwältigend. Stattdessen zielst du ja immer darauf dein tägliches Ziel von 1667 Wörtern zu überschreiten. Das reicht aus, um auch das Gesamtziel zu erreichen. Und das wird auch auf der Statistik-Seite genau so kommuniziert. NaNoWriMo bringt dir also unauffällig die Macht der kleinen Teilziele bei. Jeden einzelnen Tag dieses Ziel zu erreichen, bringt dir einen beeindruckenden Schwung, der dich letztendlich bis über die Ziellinie trägt. Besonders wenn man weiß, dass man eindeutig das Ziel erreichen kann, wenn man nur weiterhin an den aktuellen Erfolgen festhält.

Und das beste? Dieses tägliche Ziel passt in jeden Tagesablauf. Wer richtig gut ist, schafft das in 1h. Anfänger brauchen vielleicht etwas länger, aber wenn man nicht unnötig herum-trödelt ist man nach 3h definitiv fertig. Das kann jede Vollzeitkraft in die Randbereiche neben der Arbeit schieben. Im November kommen dann halt andere Freizeitaktivitäten etwas kürzer. Aber ist das so schlimm? Für alle, die bei NaNoWriMo mitmachen, ist schreiben sowieso schon ein Hobby. Jetzt wird es eben auf die nächste Ebene gehoben.

Produktivität

Wenn du nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hast, sagen wir mal 2h am Abend, und gleichzeitig aber eine große Menge Text produzieren willst, sagen wir mal 1667 Wörter, dann kannst du gar nicht herum-trödeln.
Jede Minute in der du nicht schreibst, fühlt sich stressiger und stressiger an. Du weißt genau, dass du es nicht schaffen wirst, wenn du jetzt nicht endlich anfängst.

Du lernst also nicht ewig auf die weiße Seite zu schauen. Schreib einfach das erste, was dir einfällt. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du das später immer noch abändern. Denn wenn du einfach losschreibst, wirst du sogar schneller fertig sein, als du ursprünglich eingeplant hast. Dann kannst du zurückgehen und Sachen ändern, die dir doch nicht so gut gefallen.

Hab ich allerdings ehrlich gesagt bis jetzt noch nicht gemacht. Man setzt dann einfach das fort, was man angefangen hat. Mal schauen, in welche Richtung es dich trägt.

Und diese erzwungene Produktivität ist unglaublich praktisch.
Am ersten November war Feiertag. Logischerweise hab ich dann auch einen ganzen halben Tag benötigt, um die 1667 Wörter zu erreichen. Als ich dagegen nur Abends 3 Stunden zur Verfügung hatte, hab ich die selbe Menge von Text produzieren können und eigentlich sogar mehr geschafft. Aktuell liegt mein Tagesdurchschnitt bei 2250 Wörter.

Man wird dazu gezwungen zu Arbeiten. Man kann gar keinen Schreibblock haben. Man entwickelt also Techniken, um diesen Zustand zu überwinden.

Zum einen verabschiedet man sich vielleicht von seinem eigenen Qualitätsanspruch. Das macht es viel leichter einfach mal loszuschreiben. Die Begründung: im Nachhinein kann man es ja immer noch anpassen.

Zum anderen hat es mir auch sehr geholfen vor dem „richtigen“ Schreiben eine kleine Sammlung aller Dinge zu machen, die ich ansprechen möchte. Danach weiß man schon, in welche Richtung es gehen soll und konzentriert sich nur noch darauf auf eine funktionierende Art und Weise all diese Punkte abzuhaken.

Außerdem war es sehr praktisch vorher schon mal einen groben Plan für den Plot zu haben, den man jetzt nur noch umsetzen muss.

Geschichten haben ein Eigenleben

In dem Versuch die Geschichte logisch fortzusetzen nimmt sie oft völlig unerwartete Wendungen, die man vorher eindeutig nicht mit eingeplant hat. Man folgt ihnen aber trotzdem. Mal sehen wohin sie führen. Man plant um. Man erkennt, wie ungenau die eigenen Vorstellungen eigentlich waren, welche Informationen man wie gut in den Szenen unterbringen kann, wie Geschichten von einem Punkt zum nächsten kommen.

50000 Wörter in 30 Tagen zu schreiben ist etwas, das ich jedem wärmsten Herzens empfehlen kann, der gerne Geschichten schreiben und erzählen können möchte.

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