Wie kann man Systeme schrittweise aufbauen?

Systeme schrittweise aufbauen ist eine sehr fortgeschrittene Technik. Es geht darum gleich zwei ungünstige Fälle abzuwehren.

Auf der einen Seite steht das Versinken im Chaos, weil man nie irgendwelche Systeme, Strukturen, Prinzipien, etc. festgelegt hat. Hiervon kommen logischerweise eine Menge Probleme, die niemand mehr lösen kann, weil sie einen riesigen Rattenschwanz nach sich ziehen.

Auf der anderen Seite steht der Bürokratie-Tod. Auch das ist eine reale Gefahr. Wer hoch bürokratische Systeme auf einem Level installiert, bei dem sie noch nicht gebraucht werden, nur um wie ein echtes Unternehmen zu wirken, tut etwas sehr gefährliches. Zuerst einmal bremst das unnötig ab und Startups haben ja bekanntlich keine große Toleranz gegenüber Verschwendung von Zeit und Aufwand. Weiterhin ist es genau das: unnötiger Aufwand. Und jeder, der sich daran beteiligen muss, ist sich dessen bewusst. Die Motivation derartige Systeme zu benutzen ist niedrig. Das senkt ihren Wirkungsgrad. Und schließlich braucht eigentlich jedes Unternehmen sein eigenes, maßgeschneidertes System. Hierbei kann man eigentlich vorher gar nicht wissen, wie es aussehen muss. Derartige Versuche gehen also schief und ziehen das ganze Unternehmen mit sich.

Systeme Schrittweise aufbauen

Die einzige Chance, die dir übrig bleibt, ist zu versuchen genau im richtigen Moment die richtige Menge formeller Systeme einzuführen. Genau so viel, wie man braucht, und dann auch nicht mehr. Möglichst erst dann, wenn man es wirklich braucht. Man muss also skalieren beziehungsweise die Systeme schrittweise aufbauen. Wie genau? Dafür gibt es glücklicherweise ein simples System:

5x Warum

Sobald ein Problem auftritt, wird ein 5x Warum Meeting einberufen. Hieran müssen alle teilnehmen, die in irgendeiner Weise mit dem Problem verbunden sind. Die, die es ursprünglich gefunden haben, die, die es vermutlich beheben können, alle dazwischen und der Leiter des Meetings. (Warum er so wichtig ist, erkläre ich später.) Das Prinzip dahinter ist klar: Auch wenn hierdurch mehr Leute von der Arbeit abgehalten werden, überwiegen die Vorteile: Je mehr Augen sich auf das Problem und die Fragen richten, die gleich gestellt werden, desto bessere Antworten und simplere Lösungen werden gefunden. Und in einem eingespielten Team, geht das dann ja sogar noch schneller. (Außerdem kann auch dieses Aufhalten mehrerer Personen als Vorteil gesehen werden. Unter anderem sind sie jetzt alle informiert und können entsprechendes in Zukunft vermeiden.)

Jetzt, da wir ein Meeting haben, müssen wir auch noch besprechen, was genau man dort denn macht. Die simple Antwort: man stellt Fragen. Viel mehr ist es auch nicht, aber ich will es trotzdem kurz erläutern:

Ganz zu Beginn sollte das Problem nochmal für alle klar verständlich erklärt und zusammengefasst werden. Hierdurch befinden sich alle auf einer Startebene.
Und dann wird gefragt: Warum hat sich dieses Problem ergeben? Es geht darum eine Ursache herauszufinden. Gibt es mehrere wichtige Aspekte, sollte man sich vorerst auf den schwerwiegendsten konzentrieren. (Oder das Warum-Fragen entlang beider Äste fortführen.)
Sobald man eine Ursache identifiziert hat, geht es weiter. Warum ist das genau so, wie es ist? Was ist die Ursache der Ursache? Schon auf diesem Level werden sich Erkenntnisse ergeben, die man vorher vermutlich gar nicht beachtet hätte. Es geht aber noch deutlich weiter. Man fragt insgesamt 5 mal Warum, jedes mal um eine Ebene tiefer vorzudringen.

Wie weit?

Das Ziel ist klar: man will die Grundursache ausfindig machen, durch die dieses und vermutlich eine Menge weiterer Probleme ausgelöst wurden oder noch werden. Löst man das zugrundeliegende Problem, werden derartige Fehler in Zukunft vermieden und kommen nicht immer wieder. Man könnte sich als Ziel setzen, Fehler nur ein einziges Mal zu akzeptieren, weil sie da noch eine Lernmöglichkeit darstellen.

proportionale Investitionen

Schön, dass man jetzt all diese Probleme identifiziert hat. Das Meeting ist aber noch nicht abgeschlossen. Anstatt dass alle jetzt ihrer Wege gehen und persönlich entscheiden, wie sie mit den Problemen umgehen, vielleicht sogar Hebel in Bewegung setzen, die sie gänzlich eliminieren, muss gemeinsam über die Problemlösung gesprochen werden.

Hierbei ist es wichtig ein simples Prinzip im Hinterkopf zu behalten: proportionale Investitionen. Der Aufwand, der in die Behebung eines Problems gesteckt wird, sollte der Dringlichkeit des Problems entsprechen. Kleine Probleme verdienen ein bisschen Aufwand. Große Probleme langwierigere Bemühungen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Konsequenzen dieses Meetings im Rahmen bleiben und dadurch nur positiv sind. Tritt ein Problem erneut oder sogar immer wieder auf, wird logischerweise seine Dringlichkeit hochgestuft.

Außerdem ist es wichtig, all die Erkenntnisse und proportionalen Lösungsinvestitionen festzuhalten, um sie später nachlesen zu können. Derartige Informationen sind auch für alle nicht beteiligten interessant und vor allem hilfreich, wenn man überprüfen möchte, welche Maßnahmen bei früheren Inkarnationen eines Problems getroffen wurden.

dynamisches Wachstum

Am Boden der allermeisten Probleme, seien sie technisch oder auch irgendwie anders geartet, wird meistens ein menschliches Problem liegen. Genauer gesagt ein Versagen der bisherigen Systeme mit den Anforderungen der echten Welt zurecht zu kommen. Proportionale Investitionen machen diese Systeme also schrittweise ein bisschen besser. War es genug, um die Probleme zu beheben, ist man jetzt genau bei dem Level, das man aktuell braucht. War es noch nicht genug, wird es weitere Probleme geben und man verbessert auch die Systeme immer weiter.

Die Systeme werden also schrittweise aufgebaut, immer so weit, wie man es gerade braucht. Hervorragende Lösung des Problems, oder?

schwierig

So weit, so gut. Jetzt kommen die schlechten Nachrichten. Genauso mächtig dieses System ist (es gibt wirklich zahlreiche weitere Anwendungsfelder, in denen es Wunder wirkt, z.B. Selbsterkenntniszwiebel schälen), genauso schwierig ist es auch anzuwenden. Man braucht definitiv Übung, um das meiste herauszuholen. Die ersten paar Versuche werden sogar möglicherweise nicht zufriedenstellend sein. Aber solange man das weiß, kann man sich vorher drauf einstellen.

Das zieht verschiedene Konsequenzen nach sich. Zum einen kann man jemanden ernennen, der alle derartigen Meetings leitet und dadurch eine Menge Übung bekommt, egal wer sonst noch alles beteiligt ist (oft unterschiedlich). Hierdurch können Abschweifungen verhindert werden und dadurch die benötigte Zeit reduziert. Außerdem sollte man sich (vor allem am Anfang) nicht um Altlasten kümmern. Stattdessen simple, neue Probleme anzugreifen gibt die Möglichkeit in einem einfacheren Bereich zu üben. Wenn sie wirklich so relevant sind, werden diese Altlasten bestimmt öfter auf tieferen Ebenen auftauchen und dann schrittweise durch proportionale Investitionen reduziert und eliminiert. Wunderbar.

Sobald man es also gelernt hat, ist 5xWarumFragen ein sehr mächtiges Werkzeug. Es dient als automatische Geschwindigkeitsregulation des Unternehmens, sobald Probleme auftauchen und liefert ganz nebenbei noch dynamisch mitwachsende Systeme. Systeme schrittweise aufbauen ist eben die beste Verteidigung gegen den Bürokratie-Tod. Lass dir dieses Werkzeug nicht entgehen!

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