Unterhaltungen führen ist eine Kunst

Jeder, der das hier liest, hat sicherlich auch schon mal eine Unterhaltung geführt. Dazu zählt schließlich jedes Gespräch, das über den reinen Austausch von Informationen hinausgeht. „Wo ist mein Stift?“ „Du hast ihn in der Hand.“ Das kriegt auch noch jeder ziemlich leicht hin. Es gibt ja auch nur einen Grundsatz: beantworte die an dich gestellte (geschlossene) Frage so simpel wie möglich. Vielleicht geht das sogar recht knapp. Dann freuen sich alle über die gesparte Zeit.

Aber sobald man dann zu Unterhaltungen kommt, wird die Menge der Dinge, die man alle beachten kann plötzlich deutlich größer. Natürlich ist das auf der Oberfläche dann noch immer ein Informationsaustausch. Jetzt vielleicht nicht mehr so viele Fakten und mehr Meinungen, Überzeugungen, Wünsche und dergleichen schwammiges und menschliches. Aber darunter liegt dann noch viel mehr. Warum werden die Fragen gestellt? Wie wird geantwortet? Wie verändert sich während dem Gespräch die Beziehung zwischen den beiden Redenden? Wie viel komplexer wird das alles noch, wenn eine dritte Person das Gespräch betritt?

Das alles sind Fragen, über die man gar nicht nachdenken kann, weil man eben gerade eine Unterhaltung führt. Und wer das interessiert macht, ist geistig zu 100% präsent, anstatt sich im Hinterkopf über andere Dinge Gedanken zu machen. (Und man muss interessiert sein, um überhaupt über solche Fragen nachzudenken.)

Man kann diese Fragen allerdings nutzen, um Unterhaltungen ein wenig im Nachhinein zu analysieren, um damit bei zukünftigen noch besser agieren zu können. Wonach strebt man dann in diesen zukünftigen Unterhaltungen? Es gibt ja die verschiedensten Optionen. Man kann versuchen alle Diskussionen zu „gewinnen“. Man kann danach streben einen ganz bestimmten Eindruck zu hinterlassen. Oder – was ich für die beste Variante halte – man versucht eine echte Verbindung mit seinem Gegenüber aufzubauen, und falls sie schon existiert, diese zu vertiefen.

Das wahre Ziel von Unterhaltungen

In meinen Augen geht es in Unterhaltungen der freundschaftlichen Art immer darum, eine Beziehung aufzubauen bzw. zu vertiefen, indem man sich gegenseitig besser kennen- und zu schätzen lernt. Das passiert natürlich automatisch, wann immer man sich mit jemandem unterhält, aber je nachdem, auf was man denn seinen Fokus legt, geschehen in diesem Bereich die merkwürdigsten, ungewollten Sachen. Also sollte man einfach von den anderen, im letzten Absatz genannten Optionen Abstand nehmen und sich auf die wirklich wichtige Sache konzentrieren: die zwischenmenschliche Beziehung, die hier entsteht. Ganz nebenbei hat das dann noch ein paar andere hilfreiche Effekte.

wonach man also alles strebt

Was kann denn in einer Unterhaltung die Beziehung stärken? Gegenseitiges Verständnis (und dahinter ein Drang zum Lernen), Gespräche über gemeinsame Interessen, eine friedliche Atmosphäre.

Das alles sind sehr erstrebenswerte Faktoren. Und doch würden sie größtenteils unter den Tisch fallen, wenn man sich darauf konzentriert immer Recht zu behalten oder ein ganz bestimmtes, vorher festgelegtes Bild zu hinterlassen. Sobald man sich darum bemüht die zwischenmenschliche Beziehung zu stärken, wird der Fokus also auf die richtigen, wichtigen Dinge gelenkt.

eine friedliche Atmosphäre

Eine Unterhaltung ist kein Kampf verschiedener Meinung. Vielmehr geht es um den freundschaftlichen Austausch, um ein entspannendes Beisammensein, um ein Ausformulieren der Gedanken, die einem schon lange im Kopf herumschwirren, ohne dass man sie in Worte hätte fassen können.

Das ist die Essenz einer friedlichen Atmosphäre, soetwas ist nur in einer friedlichen Atmosphäre möglich. Und eine solche Atmosphäre ist unglaublich angenehm und wichtig im Leben und dieses Gefühl wird dann mit dem jeweiligen Gesprächspartner assoziiert. Ist doch logisch, dass dadurch die zwischenmenschliche Beziehung gestärkt wird.

gemeinsame Interessen

Auch das ist logischerweise ein wichtiger Aspekt gelungener Unterhaltungen: Beide interessieren sich für das Thema des Gesprächs. Dieses Gefühl des „daran interessiert Seins“ wird dann auch auf den Gesprächspartner übertragen. So weit also so gut.

Aber wie findet man solche gemeinsamen Interessen, vor allem mit Leuten, die man erst seit ganz kurzem kennt? Hier beginnt dann die Kunst. Wie kommt man möglichst schnell, möglichst tief in ein Thema des gemeinsamen Interesses hinein?

Ich kann hier vorerst nur einen Tipp geben: Stelle offene Fragen, auf die ein bisschen ausholender geantwortet werden muss. Antworte so, dass viele Informationen über dich transportiert werden und sich gleich mehrere Ansatzpunkte bieten, in deren Richtung das Gespräch dann weitergehen kann. So gibst du dem anderen die Möglichkeit auf die Sachen zu sprechen zu kommen, die er wirklich interessant findet, anstatt dass ihr beide in den konventionellen Fragen und Themen von Smalltalk gefangen werdet. Und du kannst es dann natürlich auch ein bisschen lenken. Aber denk dran: Lass immer mehrere Wege offen, eine Unterhaltung wird gemeinsam gesteuert, nicht von dir alleine. (Das würde sich dann „Auf jemanden Einreden“ nennen.)

gegenseitiges Verständnis

Mit Leuten, die man erst seit kurzem kennt, ist das natürlich noch ein weiter Weg, aber eine Unterhaltung ist eine der besonders guten Möglichkeiten ihn zu beschreiten. Viel wichtiger ist aber, dass dieser Weg für dich vermutlich nicht viel kürzer ist, wenn es zu Personen kommt, die du schon viel länger kennst. Wie gut kennst du die Menschen in deinem Leben wirklich?

Hier geht es um wirklich fundamentale Fragen: Welche Träume hast du für die Zukunft? Welche Gefühle verspürst du in bestimmten Situationen, in der Gegenwart bestimmter Menschen? Welche Werte sind die besonders wichtig? Warum hältst du welche Überzeugungen? Und: was beschäftigt dich ganz aktuell?

Es ist schon schwierig diese Fragen in sich selbst zu beantworten. Jetzt stell dir mal vor, du könntest die Antworten auf solche Fragen aus anderen Menschen herausziehen. Das ist doch etwas nach dem man streben sollte. Wie kann man zielsicher die Themen identifizieren, die jemanden aktuell besonders beschäftigen?

Zum einen ist es oft schon ausreichend, einfach nur aufmerksam zu sein. Auf was kommt jemand mehrmals zu sprechen? Wo wird er nervös? Welche Fragen bleiben unbeantwortet? Welche Fragen stellt er? Wirkt er abgelenkt? Und so weiter. Du kannst sogar sehr viel über die Körpersprache der Person während ihrer Antwort herausfinden. (Schritt 1: Verstehen, welche Signale sie wann verwendet. Schritt 2: Die Aussagen dieser (ehrlichen!!!) Signale mit ihren Worten in Verbindung bringen.)

Aber natürlich kann man hier noch sehr viel weiter gehen. Ich nenne das nicht ohne Grund eine Kunst. Es ist deine Aufgabe deinen eigenen Weg dorthin zu finden, sie zu meistern! Also worauf wartest du?

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