Und ist das überhaupt von Bedeutung? Das sind die zwei Fragen, die schon seit sehr langer Zeit immer wieder die verschiedensten Menschen beschäftigen. Vor allem die erste. Hat man einen freien Willen? Und dann kommt man eventuell gar nicht mehr zur zweiten, weil sich die erste gar nicht beantworten lässt und man dann einfach keine Lust mehr hat.
Aber so ist es nun mal. Letztendlich können wir diese Frage aktuell einfach nicht schlüssig beantworten, besonders da es Indizien für beide Seiten der Debatte gibt. Für welche stehst du eigentlich? Glaubst du an freien Willen? Oder nicht. Denn mehr als eine persönliche Überzeugung ist das letztendlich gar nicht. Welche Auswirkungen das auf dein Leben hat, wird erst im zweiten Schritt bestimmt. Treibt dich das zur Passivität, weil du eh keine freie Wahl hast? Oder bist du jetzt noch aktiver und formst dein Leben genau nach deinen Vorstellungen? Das ist in etwa das Spektrum. Die meisten Menschen ignorieren sowieso letztendlich ihre Antwort auf diese Frage in ihrem alltäglichen Leben. Und für die zweite Unterscheidung ist es dann viel wichtiger, wie machtlos oder eben nicht sie sich in alltäglichen Situationen fühlen. Können sie etwas verändern, führen sie ein aktiveres Leben. (Ganz egal, ob das Ergebnis ihrer Bemühungen schon vorher feststand oder nicht.)
Aber wie wäre es, wenn ich dir erst nochmal beide Seiten der Debatte vorstelle, bevor ich wissen möchte, an was du denn jetzt glaubst?
Die Debatte um den freien Willen
Grundsätzlich gibt es hier zwei Ansichten und auch einen relativ beliebten Mittelweg. Übrigens ist dabei die Natur immer vorherbestimmt, determiniert. Nur über die Rolle des Menschen wird gestritten. (Und eventuell einiger Haustiere, wenn man denn auch in diese Richtung abschweift.)
du bist tatsächlich frei
Das ist für die meisten die beruhigendere Variante. Sie tragen zwar die Verantwortung für ihr Leben, aber sie haben auch komplette Kontrolle darüber. Was sie machen werden ist ganz allein ihre Entscheidung und damit können sie auch ihre Zukunft beeinflussen. Gelegentlich wird man dann natürlich trotzdem mit unpraktischen Ereignissen aus der Umwelt konfrontiert, aber prinzipiell ist man komplett frei in der Gestaltung seines Lebens. Es ist also ein ermächtigendes Gefühl.
Außerdem fühlt es sich nun mal tatsächlich so an, als ob man frei entscheiden kann, oder? Wofür sonst macht man sich denn sonst all diese vielen Gedanken zu wichtigen Problemen, für die man eine Lösung finden muss, zu wichtigen Entscheidungen, die man treffen muss? Wir machen uns ja sogar zu den komplett unwichtigen Dingen Gedanken, weil es ja in unserer Verantwortung liegt darüber eine freie Entscheidung zu treffen. Warum also sollte es sich so anfühlen, als ob wir einen freien Willen haben, wenn das nur eine Illusion ist?
Und schließlich ist der freie Wille auch noch eine ziemlich gute Antwort auf die Theodizeefrage. Wenn man denn an den allmächtigen Gott der Christen (oder einen ähnlichen) glaubt, entsteht doch ziemlich schnell die Frage: Warum lässt er/sie all das Übel in der Welt zu? Darauf werde ich jetzt nicht näher eingehen, aber wenn man nicht gleich vom Glauben abfallen möchte, kann man sich zu dieser Erklärung retten: Anstatt uns alle zum gut sein zu zwingen, wird uns ein freier Wille gegeben, der zwar auch böse Taten ermöglicht, aber vor allem das Potential für Gutes noch viel höher macht.
freier Wille ist nur Illusion
Auf der anderen Seite steht der Determinismus. Was das bedeutet habe ich auch schon in die Überschrift geschrieben: es fühlt sich vielleicht für dich so an, als ob du einen freien Willen hast, aber letztendlich ist das gar nicht so.
Und wenn man mal genau in sich hinein spürt, muss man das auch zugeben. Sehr oft folgt man irgendwelchen Intuitionen, Gewohnheiten oder Bedürfnissen ohne sich aktiv mit seinem Verstand für bestimmte Handlungen zu entscheiden. Wir können sogar unser eigenes Verhalten korrekt vorhersagen, ohne dass wir uns in Zukunft noch daran erinnern müssen, was wir denn behauptet haben, was wir machen. Wir lernen uns eben selbst kennen, wissen genau, wann wir uns wie verhalten, vor allem in den Situationen, die uns häufig begegnen.
Unglaublich große Teile unseres Verhaltens lassen sich sowieso schon psychologisch erklären und voraussagen. Ein Psychologe kann dir genau erklären, warum du ein Sklave deiner schlechten Angewohnheiten bleibst, morgens schlecht gelaunt aufwachst oder dich sogar eher in eine Person verliebst als eine andere. Die meisten Aspekte unserer Psyche sind bereits insoweit erforscht, dass wir ein relativ gutes Verständnis dafür haben, warum wir uns wann auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Und gleichzeitig gibt es hier aber auch noch sehr viel zu klären. Es ist noch lange nicht alles erforscht und es gibt auch noch große Lücken, aber das macht nichts:
Letztendlich beruht doch all unser verhalten auf unserer Biologie, die wiederum auf der Physik beruht. Und die Physik ist nun mal vollkommen deterministisch. An welcher Stelle soll da plötzlich der freie Wille des Menschen entspringen, vor allem wenn alle Bestandteile sicherlich keinen freien Willen haben. Eine Seele einzuführen, die nicht physikalischen Gesetzen unterliegt, aber einen Einfluss auf die physikalische Welt nehmen kann, einzuführen ist für alle Physiker eine eher unschöne Lösung. Aber für alle die an den freien Willen glauben, gibt es auch noch Hoffnung: So wie es aktuell aussieht, liegt der Quantenphysik (, also eine Ebene unter der Physik,) ein fundamentaler Aspekt der Zufälligkeit zugrunde. Vielleicht ist unser Verhalten also gar nicht bis ins letzte Detail determiniert, sondern in gewisser Hinsicht auch zufällig.
der goldene Mittelweg
Wie wäre es mit dieser Behauptung: Meistens sind wir Menschen vielleicht durch äußere Faktoren vorherbestimmt, aber tief in unserem Inneren haben wir das Potential selbstbestimmt zu handeln, ohne dass sich das von außen vorhersagen lässt. Man hat sozusagen soetwas wie eine Seele.
Das ist jedenfalls die am weitesten verbreitete Meinung, vor allem nachdem man akzeptieren musste, dass wir schon eine Menge vorhersagbarer Verhaltensweisen aufzeigen. Ich persönlich glaube jedenfalls nicht an den freien Willen. Alles was ich tue, hätte gar nicht anders kommen können. Und darin liegt auch etwas beruhigendes: Es gibt für alles eine logische Erklärung. Und das ist auch sicherlich nicht einschränkend für meine Beteiligung an meinem Leben: Dass ich mir Gedanken mache, Entscheidungen treffe und aktiv nach der Verbesserung meines Lebens strebe. Dass ich mich so verhalte ist eben auch teil der vorherbestimmten Verhaltensweisen. Ich handle sozusagen, so als ob ich freien Willen hätte. Und letztendlich macht das glaube ich jeder so.
Die Illusion, dass man tatsächlich freien Willen hat, entsteht dann einfach dadurch, dass das die simpelste Erklärung ist. Warum hast du das gemacht? „Ich habe mich frei dazu entschieden“, anstatt „Aufgrund einer langen Kette an Ursachen und Gründen, die ich niemals alle verstehen kann, habe ich mich letztendlich so entschieden. Das nimmt natürlich nicht die Verantwortung von meinen Schultern.“
Also woran glaubst du?