Freundschaft ist ein sehr weiter Begriff. Man kann alles darunter zusammenfassen, von „gegenseitig den Namen wissen, sich ganz gelegentlich sehen und dabei eine gute Zeit haben“ bis „jeden Tag viel Zeit miteinander verbringen“. Verschiedene Arten der Freundschaft können damit also auch unterschiedlich wertvoll sein. Manche „Freundschaften“ basieren sowieso nur auf für beide Seiten nützlichen Transaktionen und enden, sobald dieser Nutzen verschwindet. In anderen geht man viel weiter. Beide Seiten geben ohne, dass daran Bedingungen geknüpft sind. Die Beziehung beruht nicht mehr auf Transaktionen, sondern wird transformational. Beide werden dadurch verändert, dass sie sich kennen und miteinander agieren. Oft auf eine sehr positive Art und Weise.
Die richtige Freundschaft (oder auch mehrere) kann dein Leben ungemein bereichern. Also kommt es immer auf die Details an. Mit jemandem befreundet zu sein, ist ja schön und gut. Aber wie eng ist diese Freundschaft? Beruht sie lediglich auf Transaktionen und löst sich dementsprechend in Luft auf, wenn ihre Nützlichkeit zu Ende ist? Oder geht sie viel weiter als das, sodass ihr zusammen viel mehr seid, als die Summe der Teile, und beide durch die Freundschaft verändert werden?
Jeder hat sicherlich zahlreiche Menschen in seinem Leben, mit denen er nur auf Basis von Transaktionen interagiert. Das ist auch (fast) gar nicht anders möglich, wenn man zum Beispiel an einer Kasse bezahlt oder mit irgendeinem anderen Außenangestellten zu tun hat. Aber das sollte man eigentlich keine Freundschaft nennen, auch wenn man nach (täglicher? :D) Wiederholung der Interaktion vielleicht doch irgendwann gegenseitig die Namen ausgetauscht hat.
Aber wie ist es mit den Leuten, die du tatsächlich deine Freunde nennst. Mit wie vielen von ihnen gehst du über das Stadium der Transaktionen hinaus? Wer von ihnen liegt dir wirklich am Herzen? Mit wem könntest du stundenlang Zeit verbringen, ohne dass du merkst, wie die Zeit vergeht? Solche Fragen helfen dir die Menschen zu identifizieren, die wirklich wichtig in deinem Leben sind. Bestimmt weißt du das auch schon instinktiv, aber jetzt eben auch auf einer bewussten Ebene. Bist du mit deinen Familienmitgliedern befreundet? Oder sind das lediglich Bekannte, denen du trotzdem einen Anspruch auf deine Zeit zugestehst? Und wie sieht es mit den Leuten aus, mit denen du zusammen wohnst? (Nur Kinder haben sich eigentlich ihre Mitbewohner nicht ausgesucht und würden hier eventuell eine nicht so erfreuliche Antwort geben.)
Es ist wichtig, dass du dir bewusst bist, welche die wirklich wertvollen Freundschaften in deinem Leben sind, um ihnen gezielt die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. So vermeidest du sie aus Unwissenheit zu vernachlässigen oder anderweitig aus Versehen kaputt zu machen. (Natürlich können auch solche Freundschaften zu Ende gehen, aber die meisten tun das nie und werden nur pausiert, wenn man unterschiedliche Wege geht.)
Mit dieser Grundlage nähern wir uns jetzt einer wichtigen Frage: Was möchtest du lieber mit wichtigen Personen in deinem Leben haben, Freundschaft oder eine romantische Beziehung? Die meisten Menschen die du kennst, fallen natürlich automatisch in die erste Kategorie. Aber es gibt auch andere Fälle, oder? (Kennst du soetwas aus deinem Leben?)
Die Frage ist also: Kannst du dich mit einer echten Freundschaft zufrieden geben oder sie vielleicht sogar noch höher schätzen? Bzw. Wie wichtig sind dir die romantischen, sexuellen Aspekte, die bei einer Beziehung noch dazu kommen? (Außerdem verbringt man oft nochmal deutlich mehr Zeit miteinander.)
Da gibt es zahlreiche Argumente für die verschiedensten Seiten. Das wichtigste: Was fühlst du? Schätzt du die gemeinsame Zeit und wirst dadurch in Hochstimmung versetzt? Oder wirst du stattdessen von der Vorstellung, was alles sein könnte, wenn sich eine romantische Beziehung entwickelt, zerfressen und kannst das, was du hast, eigentlich gar nicht mehr so richtig genießen? Beides ist weit verbreitet bei solchen Fällen, wo man in einen Freund, eine Freundin verliebt ist. Im letzten Fall muss man allerdings erst mal innerlich einen enormen Schritt zurückgehen und sich selbst erlauben diese ungesunden Gefühle fallen zu lassen. Erst dann besteht überhaupt erst mal die reale Chance, dass sich eine tatsächliche Beziehung entwickeln kann, wenn man das Thema irgendwann mal anspricht.
Und das ist übrigens auch der beste Weg, um eine Freundschaft, die schon eine Weile besteht auf dieses „nächste“ Level (- von dieser Formulierung bin ich überhaupt kein Fan. Ist das wirklich so viel besser? -) anzuheben: Man spricht mit der anderen Person darüber, erklärt ihr die eigenen Gefühle, bittet sie das selbe zu tun. Klarheit hilft ungemein. Vielleicht denkt sich die andere Person ja schon seit einer Weile auch etwas ähnliches. Aktuell kannst du es gar nicht wissen. Falls du in einer solchen Situation bist, musst du dich jetzt entscheiden? Wie viel ist dir die Chance auf eine solche Veränderung wert? Wie viel ist dir Wahrheit wert? Wie wertvoll ist für dich die aktuelle Situation, die sich dadurch sicherlich verändern wird?
Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte sind andere Situationen, in denen man mit Menschen, die man erst seit kurzem kennt vor einer Weggabelung steht: beginnt man eine romantische Beziehung oder wäre es nicht noch viel besser Freunde zu werden? Es gibt immerhin eine Menge Leute, die romantische Beziehungen beginnen, ohne wirklich Gefühle in dieser Hinsicht zu verspüren, sie dann aber im Nachhinein entstehen. Will man sich diese Chance nehmen, indem man ehrlich jemand anderem gegenüber ist, dass man eigentlich gar nicht verliebt ist? In meinen Augen: Ja. Freundschaft ist sowieso viel besser. Höchst wahrscheinlich hätte das gar nicht gehalten. Die einzige Situation, in der ich wirklich eine romantische Beziehung bevorzugen würde, ist sobald beide eindeutig verliebt sind und dadurch etwas anderes eigentlich gar nicht mehr möglich ist.
Kann man das? Mit jemandem befreundet sein, wenn man in ihn verliebt ist? In meiner Erfahrung ebben solch oberflächliche Gefühle wie verliebt sein recht schnell wieder ab, sobald klar ist, dass sie keine Zukunft haben. Sobald man also den ersten „Schock“ der Ablehnung überstanden hat, (- ist es nicht an der Zeit sich innerlich komplett davon zu lösen? -) kann hier eine wunderbare Freundschaft entstehen. Es hat sich ja nicht geändert, dass ihr euch mögt und gerne Zeit miteinander verbringt. Was sollte also im Weg stehen?
Wenn dir also das nächste Mal jemand, in den du seit kurzem verliebt bist, anbietet eine Freundschaft zu beginnen, solltest du dich freuen! Du hast sehr zeitnah erfahren, dass ihr nicht kompatibel für eine romantische Beziehung seid, und jetzt steht die Tür zu etwas noch erfüllenderem offen. Wie nah werdet ihr euch kommen?