Warum unser Schulsystem lernen falsch macht

Unser Schulsystem hat einen ziemlich abwegigen Ansatz, wie das Lernen am besten funktioniert.

Normalerweise läuft es so ab:

  • Alle Schüler einer Klasse lernen gleich lang an einem Thema, das am Ende in einem Test überprüft wird. (Manchmal auch schon zwischendurch mit Abfragen/Stegreifaufgaben, da gibt es aber das gleiche Problem.)
  • Nachdem jetzt so die Lücken in jedermanns Verständnis aufgedeckt worden sind, geht man gemeinsam zum nächsten Thema über.
  • Das ganze wiederholt sich.

Viel sinnvoller wäre es dagegen, folgendermaßen vorzugehen:

  • Jeder bearbeitet das Thema in seinem eigenen Tempo, wobei zwischendurch der Fortschritt durch Tests überprüft wird.
  • Die hierbei identifizierten Lücken werden geschlossen
  • und man geht erst zum nächsten (vermutlich darauf aufbauenden) Thema über, sobald man das vorherige 100% gemeistert hat.

Jeder kann alles lernen.

Die Leute brauchen nur unterschiedlich lange um das Thema vollkommen zu durchdringen.

Man könnte das ganze mit einem (nicht funktionierenden) Hausbau vergleichen:

Hausbau

Die Bauarbeiter bekommen gesagt, sie haben 2 Wochen Zeit um das Kellergeschoss fertig zu stellen.

Nach Ablauf der Zeit wird ein Verantwortlicher vorbeikommen und den Fortschritt beurteilen.

Die Arbeiter machen sich also ans Werk.

Schneller fertig als eingeplant

Vielleicht sind die Arbeiter schon nach einer Woche fertig.

Das kann vorkommen. Immerhin sind in die zwei Wochen ja auch Verzögerungen mit eingerechnet.

Die zweite Woche über müssen die Bauarbeiter natürlich auch zur Baustelle kommen. Anwesenheitspflicht.

Damit ihnen nicht allzu langweilig wird, dürfen sie Live-Übertragungen von anderen Baustellen sehen, an denen man nicht so schnell voran kommt.

Aber was wenn es zu Verzögerungen kommt?

Langsamer fertig als geplant

Angenommen nach zwei Wochen ist noch nicht alles bereit.

Die Teile wurden nicht rechtzeitig geliefert und der Beton ist auch noch nicht trocken, weil es die letzten paar Tage geregnet hat und man ihn heute erst eingießen konnte.

Der Verantwortliche kommt also vorbei und beurteilt den Fortschritt:

Naja, vielleicht 70% fertig. Ihr bekommt eine 2 minus.

Dann geht es zum nächsten Bauabschnitt:

Darauf aufbauen

Dann wird das Erdgeschoss errichtet.

Auch dieses mal gibt es Verzögerungen, die den Fortschritt aufhalten.

Nach einer abschließenden Beurteilung nach 2 Wochen – 2+ – geht man zum 1. Obergeschoss über.

Hier kommt es sogar zu gar keinen externen Verzögerungen.

Nur leider ist das Haus schon so instabil, dass man kaum weiß, wo man was befestigen soll.

Nach 2 Wochen geht man zum 2. Obergeschoss über…

Und das Haus stürzt ein.

Fazit

So baut natürlich niemand ein Haus.

Dieses Vorgehen funktioniert ja auch überhaupt nicht und das haben alle Beteiligten schon vor langer Zeit gemerkt.

Und doch geht unser Schulsystem genau so vor.

Auf unfertige Fundamente werden immer wackeligere Obergeschosse obendrauf gebaut und jeder fragt sich, warum der Schüler trotz großer Anstrengung nicht besser wird.

Besser im Sinne der sich immer höher schraubenden Anforderungen.

Das Schulsystem ändern

Es gab in der Vergangenheit schon zahlreiche Pilotversuche ein anderes Schulsystem zu implementieren.

Systeme in denen jeder nach seinem Tempo lernt, führten zu deutlich besseren Ergebnissen.

Dennoch wurden sie wieder abgeschrieben – zu hoher Verwaltungsaufwand.

Man muss schließlich jedem einzelnen Schüler zugeschnittene Unterlagen bereitstellen und jeden an seiner aktuellen Position weiter-unterrichten.

In Zeiten bevor es das Internet gab völlig unmöglich.

Heutzutage hat sich das aber geändert, nur unser Schulsystem noch nicht.

Solange das so bleibt, gibt es nur eine Konsequenz:

Sich selbst anpassen (vorübergehend)

Aufgrund der schlechten Konstruktion unseres Schulsystem, liegt die Verantwortung für eine erfolgreiche Ausbildung jetzt bei jedem einzelnen Schüler.

Jeder muss seinen eigenen Fortschritt überwachen und entsprechende Maßnahmen einleiten.

Schon vor dem Test Meisterschaft erzielen

Das ist das oberste Ziel.

Der Test ist schließlich das letzte Mal, dass dieses Thema direkt abgeprüft wird.

Später benötigt man das ganze nur noch indirekt. Als Basis auf der das nächste Thema aufbaut.

Man muss also schon vorher den eigenen Fortschritt messen.

Zum Beispiel durch aktives sich an den Hausaufgaben beteiligen.

Wenn man die Hausaufgaben lösen kann, kann man auch den Test lösen.

Wenn nicht hat man in der nächsten Unterrichtsstunde die Gelegenheit den Lehrer zu fragen, dieses Problem aufzuklären.

Gleichzeitig muss man auch immer aufmerksam darauf achten, welche Grundlagen einem fehlen.

Wo genau hat es in der Wissenskette eine Lücke gegeben, die zu dem Problem geführt hat?

Hierbei darf man sich aber nicht selbst beschummeln.

Wenn man nicht mal selbst objektiv weiß, wie viel man vom aktuellen Thema schon verstanden hat, wer soll es dann sonst wissen?

Und ohne dieses Wissen, kann man nicht gezielt die Lücken auffüllen.

Außerdem war diese Lücke ja vielleicht Teil eines größeren Gebiets, dass man nicht (mehr) kann.

Dann muss man das schleunigst nachholen, sonst gibt es bald auch an anderen Stellen Probleme.
Und genau das will man ja eigentlich vermeiden.

Was wenn man vorher fertig ist?

Wenn man das Lernen also selbst in die Hand nimmt, kann es passieren, dass man schneller ist als der Rest des Kurses.

Jetzt sollte man im Unterricht, den man ja trotzdem besuchen muss, nicht vollkommen abschalten.

Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, dass man seinen Mitschülern hilft.

Oder man nimmt sich vor, als nächstes das Vermitteln dieses Themas zu lernen. Denn eigentlich hat man etwas erst dann wirklich verstanden, wenn man es jemand anderem so erklären kann, dass dieser es jetzt auch versteht.

Hierfür könnte man anderen Nachhilfe geben.

Oder man beobachtet den Lehrer und versucht herauszufinden, nach welchen Prinzipien dieser genau vorgeht.

Der Lehrer hat nämlich vermutlich ein bisschen mehr Erfahrung, wenn es um die Vermittlung des Stoffes geht.

Von ihm kann man also noch einiges lernen.

Dieser Fall, dass man schneller als geplant ist, ist aber nicht die einzige Möglichkeit, was passieren kann.

Was wenn man zu langsam ist?

Man merkt das spätestens im Test am Ende.

Wer noch nicht alles verstanden hat, wird hier Lücken zeigen.

Natürlich ist das Ziel, diese schon vorher bemerkt und behoben zu haben, aber manchmal passiert das natürlich trotzdem.

In diesem Fall sollte man möglichst bald diese Lücken nachholen.

Zu versuchen das nächste Thema zu verstehen hat gar keinen Sinn, falls es auf dem aktuellen aufbaut.

Besonders in Mathematik ist das absolut essentiell, hier baut alles aufeinander auf.

Aber auch in anderen Fächern, in denen das Wissensgebäude vielleicht mehr in die Breite gebaut wird, sollte man aufpassen keine halb fertigen Ruinen zurückzulassen.

Sonst passiert es irgendwann, das man eine Menge frei stehender Minihäuser besitzt und den zugrundeliegenden Zusammenhang nicht mehr erkennen kann. All diese Wissensthemen waren schließlich im Laufe des Schuljahrs miteinander verknüpft. Zumindest mit dem jeweils vorhergehenden.

Lücken auffüllen

Man muss also sofort nach dem Test alle übrigen Lücken auffüllen.

Das gleiche Vorgehen ist aber auch schon vorher gefragt, sobald man eine Lücke bemerkt.

Dafür gibt es in der heutigen Zeit viele Möglichkeiten.

Eine der besten ist es zum Beispiel im Internet nach Erklärvideos zu suchen.

Dort gibt es zu fast jedem Thema Unmengen von Material, das dort von fleißigen Menschen meist völlig kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Ein paar YouTube-Channel, die ich in dieser Hinsicht wirklich mag, sind zum Beispiel CrashCourse, PBS Space Time und 3Blue1Brown.

Aber auch Khan Academy stellt wirklich viele Videos bereit, mit denen man alles mögliche lernen kann.

Mache so also das beste aus deiner verpflichtenden Schulzeit!

Viel Erfolg

Julian

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