Wie man mit widersprechenden Behauptungen umgeht

Es gibt natürlich andauernd Behauptungen, die irgendwelchen anderen, vorherigen Behauptungen entgegenstehen. Das ist ein zentraler Aspekt von Kommunikation. Um einen derartig breit gefächerten Bereich geht es mir heute aber gar nicht. Vielmehr möchte ich dir zeigen, wie man am besten mit den eigenen Überzeugungen widersprechenden Behauptungen umgeht.

Behauptungen, die entgegen deinen eigenen Überzeugungen stehen, haben nämlich einen enormen Einfluss auf deine Innenwelt. Besonders wenn der Behauptende auch noch eine Menge von Belegen vorzeigen kann, die seine Behauptungen unterstützen.

Möglicherweise hältst du das gerade für ein nicht besonders wahrscheinliches oder relevantes Szenario. Aber es ist nun mal so, dass man andauernd auf Behauptungen trifft, die den eigenen Überzeugungen entgegenstehen. Jedem passiert das.

Jeder hat schließlich Überzeugungen auf deren Grundlage er die Welt bestreitet. Man kann nicht jedes mal, bevor man etwas macht, alle Informationen beachten und dann eine fundierte Entscheidung fällen. Dafür ist unser Gehirn einfach nicht schnell genug. Damit man in dieser Welt funktionieren kann, muss man sich andauernd ziemlich schnell zwischen verschiedenen Alternativen entscheiden.

Und genau hierfür sind unsere Überzeugungen da. Sie bieten eine Reihe praktischer Axiome, auf denen man alle Begründungen abstützen kann. Axiome in der Hinsicht, weil man Überzeugungen nun mal einfach als wahr annimmt. Sobald man an einer Überzeugung zweifelt, ist es keine Überzeugung mehr. Das ist aber nicht schlimm. Das heißt schließlich, dass jetzt Platz für fundiertere Überzeugungen ist. Überzeugungen, von denen du weißt, wo sie herkommen. Überzeugungen, die du widersprechenden Behauptungen gegenüber verteidigen kannst.

Sollte man Überzeugungen komplett abschaffen? Nein. Das ist praktisch unmöglich. Überzeugungen bieten nun mal ein unglaublich effizientes System eine Menge Entscheidungen zu treffen. Wie gut das funktioniert, zeigt die Tatsache, dass das meiste davon völlig unterbewusst geschieht. Du merkst es gar nicht mal.

Umso wichtiger ist es dann, folgende Konsequenz aus den eben aufgezeigten Erkenntnissen zu ziehen und auch anzuwenden: Jeder sollte versuchen, die eigenen Überzeugungen zu überarbeiten und ausreifen zu lassen, bis er irgendwann nur noch Sachen glaubt, die irgendwie fundiert sind.

Offensichtlich ist das ein Ziel, das man niemals komplett erreichen kann, weil die Wissenschaft immer neue Erkenntnisse aufdecken wird, die den bisherigen Überzeugungen der Menschen entgegen stehen, aber der Weg ist auch schon höchst erstrebenswert.

Die eigenen Überzeugungen gewohnheitsmäßig zu überarbeiten und revidieren ist eine Eigenschaft, die vernünftige Menschen auszeichnet. Bist du gerne vernünftig? Dann begebe dich auf eine Reise zu den fundiertesten Überzeugungen, die du erreichen kannst.

Was tun bei widersprechenden Behauptungen

Wie bei allem auf dieser Welt, was dir schon ein paar mal passiert ist, hast du eine Standardreaktion entwickelt. In diesem Fall ist sie sogar evolutionsbiologisch fundiert, die Wissenschaft hat also herausgefunden, warum es bei allen die selbe Standardreaktion gibt.

Ich rede von folgendem Effekt: Du hörst/liest etwas, das nicht mit deinen Überzeugungen zusammenpasst, und bist sofort im Verteidigungsmodus.

So schnell geht das. Ist schließlich von der Evolution über viele, viele Generationen hinweg so eingerichtet worden.

Von deinen Überzeugungen widersprechenden Behauptungen geht immerhin eine Bedrohung aus. Sie drohen damit dein Weltbild über den Haufen zu werfen und alle deine bisherigen Taten als ziemlich dumm zu entblößen.

Da ist es doch besser die eigenen Überzeugungen so kräftig wie möglich zu verteidigen, oder?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Kommt darauf an, wie fundiert diese Überzeugung ist. Wenn du sie wirklich gut begründen kannst, wäre es doch interessant sich in einen Diskurs mit der widersprechenden Partei zu begeben. Wenn du das aber nicht kannst, solltest du schleunigst auf die Suche nach Argumenten machen. Begebe dich auf einen Weg zur Wahrheit, bevor du aus Unwissenheit etwas doofes machst.

Die beste Möglichkeit: Von der Anwesenheit der Person mit den gegenteiligen Überzeugungen profitieren. Du hast jetzt die perfekte Möglichkeit die Argumente der Gegenseite kennenzulernen und ihre Erkenntnisse in deine eigenen Überzeugungen zu integrieren.

Nur so kommst du vorwärts. Nur so kannst du dir die Weisheiten erschließen, die dir bisher verborgen geblieben sind.

Du musst also deine Reaktion abändern:

die erste Reaktion

Standardmäßig erkennt dein Gehirn widersprechende Behauptungen als Angriff. Du gehst also automatisch in eine Verteidigungsposition.

Die musst du jetzt aber wieder aufgeben. Ich sage nicht, dass du die Behauptung des anderen für bare Münze nehmen sollst oder du am besten sofort seine Überzeugungen übernimmst und deine eigenen aus dem Fenster wirfst. Das ist nicht nötig. Was aber nötig ist, dass du diesen alternativen Überzeugungen offen entgegen gehst.

Freue dich, dass du sie gefunden hast.

Zum einen hast du jetzt wie schon mehrfach angedeutet eine wunderbare Möglichkeit zum dazulernen, zum anderen bietet dir dieses unangenehme Gefühl, was du im ersten Augenblick verspürst, interessante Selbsterkenntnis. Immerhin hast du gerade ein Thema entdeckt, das dir genug am Herzen liegt, sodass du dich angegriffen fühlst. Wenn man einfach nur so auflisten soll, was einem alles wichtig ist, fällt das den meisten ziemlich schwer. Du hast gerade eben etwas derartiges erkannt und sogar einen Beweis dafür: deine eigene Reaktion auf einen „Angriff“.

In deinen Überzeugungen widersprechenden Behauptungen sollte man also einen Grund zur Freude sehen.

Aber wie kann man dieses dazulernen jetzt umsetzen? Ganz einfach, du musst nur lernen, die richtigen Fragen zu stellen.

die richtigen Fragen stellen

An wen du die Fragen stellst und wer sie beantwortet ist erst mal nebensächlich. Das kannst du selbst versuchen, vielleicht hilft dir ein Freund, im besten Fall kannst du direkt mit dem Behauptenden einen Dialog anfangen, um sie zu klären.

Dir geht es dabei um folgendes: Anstatt die Behauptungen einfach nur als wahr oder falsch zu deklarieren (letzteres ist öfter der Fall, besonders, wenn sie deinen Überzeugungen widersprechen), willst du verstehen, wo sie herkommen.

Auf welchen Informationen beruhen diese Behauptungen? Welche Erkenntnisse erlauben einen solchen Standpunkt?

Bedenke, dass sich die andere Person möglicherweise schon sehr viel länger Gedanken über dieses Thema gemacht hat. Die Möglichkeit, dass ihre anderen Schlussfolgerungen auf Informationen beruhen, die dir nicht bekannt sind, besteht immer und ist sogar ziemlich wahrscheinlich.

Versuche also möglichst tief vorzudringen. Gebe dich bei deinen Fragen nicht mit der erstbesten Erklärung zufrieden. Letztendlich haben diese Erklärungen auch wieder das selbe hinterfragen verdient, das du auch der ursprünglichen Behauptung verabreichst.

Je tiefer du gräbst, desto überzeugender werden die Schlussfolgerungen werden und desto öfter wirst du auf Informationen stoßen, die dir auch bekannt sind, die du bloß anders interpretiert hast. Natürlich wirst du aber auch viel neues dazulernen, was dir dabei hilft eine fundiertere Meinung zu bilden.

wie tief sollte ich graben?

Wenn möglich solltest du so tief graben, bis du irgendwann bei empirisch belegbaren Aussagen ankommst. Du willst schließlich alle zukünftigen Behauptungen auf einem funktionierenden Fundament aufbauen. Dafür musst du irgendwo eine Grundlinie wählen, ein paar Sachen, die du einfach als wahr annimmst. Du musst ihnen praktisch vertrauen. Wie vertrauenswürdig sind Behauptungen, bei denen du nicht weißt, wo sie herkommen?

Als vernünftige Person wirst du nur empirisch belegbaren Behauptungen vertrauen. Wenn du an diesem Punkt angekommen bist, kannst du die Behauptungen überprüfen. Vielleicht kannst du es selbst ausprobieren, ansonsten musst du auf bisherige wissenschaftliche Forschung zurückgreifen und dieser vertrauen. Wissenschaftler machen das auch so.

Du brauchst vertrauenswürdige Informationen, auf denen du deine Schlussfolgerungen aufbauen kannst. Generell sollten alle Schlussfolgerungen auf derartigen Informationen aufgebaut sein.

Jedenfalls willst du mit deinen Fragen also den Punkt erreichen, an dem du die Schlussfolgerungen des anderen bis zu diesen zugrundeliegenden Daten nachvollziehen kannst.

Du hast jetzt schon mehr dazugelernt als alle anderen, die die Behauptung von Anfang an abgelehnt haben, zusammen. Du hast jetzt verstanden, wie jemand zu einer solchen Behauptung kommt.

Jetzt ist es also an der Zeit daraus eigene Schlussfolgerungen zu ziehen:

eigene Schlussfolgerungen ziehen

Du musst nicht die Behauptungen des anderen als wahr akzeptieren. Vielmehr solltest du jetzt versuchen dir eigene Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen zu ziehen, die du als wahre Grundlinie akzeptiert hast.

Vielleicht orientierst du dich dabei an den Erkenntnissen des anderen, vielleicht findest du etwas anderes, das dir besser passt. Immerhin weißt du jetzt aber an welcher Stelle ihr auseinander geht und wie du deine eigenen Überzeugungen begründen kannst.

Wenn du Lust hast, kannst du versuchen die Informationen, die der Stelle, an der ihr in unterschiedliche Richtungen geht, zugrunde liegen zu überprüfen. Vielleicht läufst du in eine falsche Richtung. Vielleicht kannst du auch dem anderen einen Gefallen tun, indem du ihm ein Problem in seiner Argumentation aufzeigst.

Das ist aber nicht das Ziel. Das Ziel ist es wieder etwas zu finden, an das du selbst glauben kannst und willst. Immerhin haben die Erkenntnisse, die du eben gewonnen hast, deine dementsprechenden Überzeugungen etwas ins Wanken gebracht.

Bedenke während du dein Überzeugungsgerüst erneut von unten aufbaust folgendes: weder du noch der andere hat vermutlich die endgültige Wahrheit erkannt. Sie liegt irgendwo dazwischen und man kann sich ihr nur immer weiter nähern. Die Wahrheit ist unterschiedlich je nach Situation. Da ist es doch besser möglichst viele verschiedene Ansichten zu kennen und im richtigen Moment die passende Anwenden zu können, oder?

Ich jedenfalls halte das eindeutig für reifer, als felsenfest auf der eigenen Meinung zu beharren ohne überhaupt zu wissen, wo sie herkommt.

die eigenen Überzeugungen revidieren

Das ist ein Prozess der ganz von alleine geschieht. Wenn du neue Dinge erkennst, ändert sich woran zu glaubst. Warum willst du dann nicht bewusst dabei mithelfen?

Es gibt alte Überzeugungen, die sich als falsch herausgestellt haben. Lasse sie zurück. Es gibt neue Überzeugungen, die aktuell wie die Wahrheit aussehen. Nehme sie auf. Glaube an sie. Es wird sich erst in der Zukunft zeigen, wie korrekt dein aktueller Eindruck ist, aber das ist nun mal alles, was du aktuell hast.

Es ist nicht schlimm, wenn du eine weile in eine falsche Richtung gehst, wenn du dabei wenigstens immer versuchst deine eigenen Überzeugungen der Wahrheit anzunähern. Wer sich selbst immer verbessern will, weiß, dass man irgendwo anfangen muss. Sei froh über dein bisheriges Verhalten, da es dich an die Stelle geführt hat, wo du jetzt etwas neues, richtigeres lernen kannst.

Natürlich bedeutet das aber auch, das du dich ausreichend informieren solltest, bevor du dein Überzeugungsgerüst neu aufbaust. Ansonsten begegnest du morgen einer neuen Information, die leicht verfügbar gewesen wäre und jetzt die ganze Arbeit erneut erfordert. Das wäre doch unnötiger Aufwand, oder?

Und doch ist es notwendig, dass du deine Überzeugungen nicht einfach so lässt wie sie sind.

Graduell ein immer besserer Mensch werden

Du solltest Behauptungen, die deinen eigenen Überzeugungen widersprechen, geradezu suchen. Nur sie bieten dir die Möglichkeit eine fundiertere Meinung zu bilden, als du sie bisher hattest.

Dann kannst du auf deine Überzeugungen vertrauen, wenn du sie das nächste mal brauchst. Es gibt auch Momente in denen es unpraktisch ist von derart grundlegenden Zweifeln getroffen zu werden. Da wäre es doch praktisch, wenn du es jetzt gezielt anstrebst und dann schon hinter dir hast oder?

Du solltest schließlich immer danach streben ausgereiftere Überzeugungen zu halten, als du letzte Woche hattest. Und die beste Möglichkeit das zu erreichen ist es, die Standpunkte der anderen kennenzulernen. Verstehe, wie sie dorthin kommen, und lerne so spannende, neue Sachen dazu.

Mit der Zeit gewöhnst du dich dann daran dich mit Behauptungen auseinanderzusetzen, die deinen eigenen Überzeugungen entgegenstehen. Dann kannst du dir deine negative Reaktion abgewöhnen und ein noch besseres Leben führen.

Zum einen sparst du dir dann diesen ganzen emotionalen Stress, zum anderen kannst du dann auch sofort den Augenblick nutzen, indem jemand eine Behauptung aufstellt, mit der du nicht übereinstimmst. Dann ist sie nämlich am wahrscheinlichsten noch zu sprechen.

Andernfalls musst du sie vielleicht eine Weile suchen, bevor du diese Probleme mit ihr klären kannst.

Versuche also fundierte Überzeugungen zu haben!

Julian

PS: dieses Hinterfragen der Argumentationsstruktur ist natürlich bei allen Behauptungen wichtig, nicht nur bei Aussagen, die du nicht magst.

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