Gestern habe ich ja schon mal darüber gesprochen, wie man gut und vor allem schnell schreiben lernt. Dabei ging es nicht um gute Geschichten direkt, sondern ums Schreiben allgemein.
Beim Schreiben kommt nun mal die Qualität nach der Quantität. Erst wenn du genug geschrieben hast, was natürlich schneller geht, wenn du ziemlich schnell Texte produzieren kannst, kann die Qualität steigen. Dementsprechend haben sich auch meine meisten Tipps auf das schneller Schreiben bezogen, ein wichtiger Tipp zur Qualität war aber auch mit dabei: Wenn du deinen eigenen Text vorliest und das Gefühl hast, das auch in einem normalen Gespräch genau so sagen zu können, hast du schon ein hervorragendes Level von angemessener Sprache erreicht. Dadurch vermeidest du nämlich nervtötende Fachsprache und andere „Feinheiten“, die einem irgendwie erst beim Schreiben einfallen. Aber nur, weil man damit sein eigenes Wissen beweisen kann, heißt das ja noch lange nicht, dass das auch einen guten Text bewirkt.
Heute geht es jedenfalls um gute Geschichten. Wie kann man die Qualität der Geschichten verbessern, die man in seinen Werken und dadurch auch in Gesprächen erzählt?
jeden Tag üben
Die Grundregel ist hoffentlich immer noch klar.
Jeden einzelnen Tag üben.
Egal wie viel Theorie du in dich hinein schaufelst, solange du es nicht auch selbst anwendest, wirst du nicht besser werden. Und je mehr du es selbst durchführst, versuchst, etc., desto schneller wirst du dich verbessern. Erst wenn du auch tatsächlich schreibst, können die tatsächlichen Prozesse in deinem Gehirn, die du dafür verwendest, immer weiter verbessert werden.
Sobald du einen Maßstab hast, an dem du deinen Fortschritt messen kannst, wirst du selbst die besten Möglichkeiten bemerken, in dieser Hinsicht deine Leistung zu verbessern. Du wirst ganz von alleine deine internen Prozesse optimieren, um mit dem kleinstmöglichen Aufwand das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
gute Geschichten
Genau diesen Maßstab will ich dir jetzt geben. Wir brauchen etwas, das alle guten Geschichten gemeinsam haben. Sobald du das kennst, kannst du es optimieren und dann darauf aufbauen und deine eigenen, individuellen Zutaten hinzufügen. Ich rede von zwei ganz bestimmten Wirkungsweisen auf den Leser:
Zum einen soll man in die Geschichte eintauchen können. Sich fühlen, als wäre man tatsächlich an dem Ort, an dem die Geschichte spielt. Sich mit der Hauptperson identifizieren und ein Interesse entwickeln, herauszufinden, wie es weitergeht.
Zum anderen sollen im Leser möglichst starke Emotionen hervorgerufen werden. Dafür liest man letztendlich Geschichten: Um Emotionen zu spüren, die man in seinem eigenen Leben vermisst. Und gute Geschichten sind wirklich hervorragend dafür geeignet. Unser Gehirn unterscheidet nun mal nicht zwischen echten und eingebildeten Erlebnissen. Das Geschehen der Geschichte wirkt also, sobald wir darin eintauchen, als Grundlage für die Emotionen, die wir verspüren. Sie ist praktisch Ersatz dafür, es selbst erleben zu müssen.
In die Geschichte eintauchen zu können ist natürlich ein zwingend erforderlicher erster Schritt, bevor man die Emotionen spüren kann, die das Geschehen in einem auslöst. Trotzdem wollte ich es nochmal nennen, weil es sich eben gut als erstes Zwischenziel eignet, bevor man sich an die Aufgabe macht, möglichst starke Emotionen hervorzurufen.
Sobald du also diese zwei Eigenschaften guter Erzählungen erkannt hast, kannst du damit beginnen zu lernen, sie in deinen Texten umzusetzen. Dafür ist möglichst viel Feedback eindeutig notwendig.
Feedback
Wenn du einfach schreibst, weißt du nicht, ob du es richtig oder falsch machst. Dafür musst du auch deinen Text mit der Zielsetzung vergleichen. Du brauchst Feedback, ob du auf der Eintauch-Skala besser oder schlechter abschneidest als letztes Mal. Dann kannst du herausfinden, was du anders gemacht hast und die bessere Variante verstärkt einsetzen.
Woher bekommst du Feedback? Ganz einfach. Frage Freunde. Lies deinen eigenen Text selbst. Aber frage diesmal nicht: „Würde ich das auch in einem Gespräch so sagen?“, frage: Wie fühlt es sich an? Welche Wirkung hat der Text auf die Organe meines Körpers. Gute Geschichten kann man mit dem ganzen Körper fühlen.
Und wenn du das eine Weile machst, wirst du einige wichtige Konzepte erkennen, die dein Ergebnis auf der Eintauch- und Emotionen-Skala geradezu in die Höhe schießen lassen. Ich gebe dir hier mal eine kleine Vorschau, aber letztendlich musst du sie für dich selbst erkennen.
Show, don’t tell
Du darfst alles zeigen, was die Person aus deren Perspektive du gerade erzählst wissen kann. All ihre Sinneseindrücke, ihre Reaktionen darauf, vielleicht auch eigene Gedanken und Gefühle, falls auch die Innenwelt der Person gezeigt wird.
Aber du darfst nichts davon interpretieren. Überlass das dem Leser: Anstatt „X hatte Angst.“, schreib lieber „X Hände zitterten. Er spürte den kalten Schweiß seinen Rücken hinunter laufen.“ Das zweite hat die gleiche Aussage, nur die Wirkung ist viel, viel höher. Der Leser muss nämlich selbst erkennen, was hier abläuft. Es wird sein emotionales Zentrum angesprochen, nicht das rationale, wie es in der ersten Variante der Fall wäre.
Natürlich muss man auch immer wieder mal die Geschehnisse zusammenfassen, um die Geschwindigkeit der Geschichte auf einem angemessenen Level zu halten. (Immer nur Sinneseindrücke ist sozusagen Zeitlupe.) Versuche diese Abschnitte der erzählerischen Zusammenfassung aber möglichst gering zu halten. Je öfter du die tatsächlichen Geschehnisse einfach zeigen kannst, desto öfter und dadurch anhaltender kann der Leser auch in die Geschichte eintauchen.
Auch die folgenden Tipps machen es dem Leser einfacher in die Geschichte einzutauchen. Denn sobald der Leser eingetaucht ist, wird er auch automatisch die Emotionen spüren können, deren biologische Manifestation du im Text beschrieben hast. Wenn der zweite Textschnipsel über Person X in einer Geschichte vorkommen würde, in die man schon komplett eingetaucht ist, wird man die selbe Angst verspüren, die auch X vermutlich in dieser Situation hat.
Eintauchen und Identifikation mit der Figur ist also Voraussetzung für das Ziel aller Geschichten: Emotionen im Leser wecken.
unsere Aufmerksamkeit imitieren
Wir können unsere Aufmerksamkeit entweder nach innen (bewusste Gedanken, Erinnerungen, …) oder nach außen richten. Und auch dann, liegt sie immer auf einer bestimmten Sache oder Gruppe. Wir können sogar gar nicht ohne zurechtkommen.
Als Autor musst du also auch die Außen- und die Innenwelt scharf abtrennen.
In Abschnitten, die Gedanken beinhalten, darf nicht auch das Wetter beschrieben werden. (Gedanken über das Wetter sind natürlich erlaubt.)
In Abschnitten, die die Außenwelt beschreiben, darf nicht plötzlich ein Gedanke auftauchen, auch wenn natürlich all diese Sinneseindrücke durch die Linse der Hauptperson gefiltert werden sollten. Aus der Perspektive einer tauben Person, darf auch der Leser nichts hören können.
Innerhalb dieser Abschnitte sind also keine Vermischungen erlaubt. Wie oft du allerdings zwischen ihnen abwechselst ist dir überlassen. Sei dir bloß bewusst, dass du es tust. Dadurch vermeidest du einzelne Stellen, in denen der Leser aus der Geschichte herausgerissen wird, weil wir nun mal nicht so funktionieren, wie es von dem Text vorausgesetzt wird.
Immerhin ist genau das der Hauptgrund, warum das Eintauchen nicht klappt. Solange dir das nicht passiert, geschieht ein Eintauchen geradezu von selbst. Streng dich an!
menschliche Charaktere
Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, Ziele, eine individuelle Persönlichkeit, Makel. Auch die Charaktere deiner Geschichte. Nur wenn sie erkennbar menschlich sind, können und wollen wir uns mit ihnen identifizieren. Dann können wir uns selbst darin wiedererkennen. Erschaffe deine Charaktere entsprechend.