Nein sagen. Eine unglaublich schwierige, aber gleichzeitig auch sehr nützliche Gewohnheit. Aber weil es so schwierig ist, sie tatsächlich zu adaptieren, kommen viele gar nicht bis zu dem Punkt, an dem sie die Vorteile aus erster Hand erkennen können. Das sind schließlich die überzeugendsten Argumente: eigene Erfahrungen.
Aber was sind denn nun eigentlich die Hindernisse, die sich jemandem in den Weg stellen, der das Nein sagen lernen möchte?
Zum einen möchte man natürlich vermeiden Leute zu verletzen, die einen mit Bitten aufsuchen. Die haben sich jetzt schon überwunden dich um Hilfe zu fragen und dann lehnst du auch noch ab? Das geht doch nicht. Oder auch schon. Nur weil du jemanden um etwas bittest, heißt das ja nicht, dass du es auch bekommen musst. Derartig ist das Autoritätsverhältnis in den meisten Fällen nicht aufgestellt.
Zum anderen möchtest du vielleicht auch nicht mit dem Status Quo brechen. Du hast noch nie eine Bitte abgelehnt. Warum jetzt damit anfangen? Ganz einfach: Leute lernen, dass du ihre Bitten erfüllst. Wenn sie das nächste Mal etwas brauchen, überlegen sie nicht lange wen sie deswegen am besten fragen, sondern kommen sofort zu dir. Der Andrang von Leuten mit Bitten an dich wird noch größer. Und das schlimmste: inzwischen erwarten sie sogar, dass du ihnen hilfst. Jetzt Nein zu sagen, ist besonders schwierig. Man hat es noch nie vorher gemacht und man verletzt damit ziemlich sicher auch die Bittsteller.
Gleichzeitig solltest du ihnen aber auch eine gewisse geistige Größe zutrauen. Sie werden schon damit zurechtkommen, wenn du ihre Bitte ablehnst. Vielleicht werden sie sogar dadurch verletzt, dass du glaubst, sie wären verletzt, wenn du ihre Bitte ablehnst? Ein Dilemma.
Und gleichzeitig willst du ihnen natürlich auch helfen. Wer will das nicht? Hilfsbereitschaft ist eine allgemein anerkannte Tugend. Jemandem helfen fühlt sich gut an. Derartige Aktionen werden von unserem Gehirn automatisch wiederholt. Je mehr man anderen hilft, desto einfacher fällt es einem auch dem nächsten Bittsteller zu helfen. Die Schranken und Hemmschwellen werden immer stärker abgebaut. Und man merkt es nicht einmal. Bei manchen Sachen merkst du vielleicht, dass sich gerade etwas ungünstiges abspielt, aber nicht hier. Jemandem zu helfen, die Freude auf ihrem Gesicht zu sehen, fühlt sich einfach zu gut an. Viele sind gegenüber diesen Zeitdieben im Augenblick völlig blind. Erst im Nachhinein merkt man, dass man sich ja eigentlich um andere Dinge kümmern wollte. So ein Mist.
Nein sagen
Es gibt eine Situation, in der jeder Nein sagen kann: Man kann einfach nicht helfen. Man hat noch Sachen zu erledigen, die eine deutlich höhere Priorität haben und auch eigentlich schon vorgestern hätten fertig sein sollen. Man fühlt sich zwar schlecht dabei, aber man muss sich jetzt unbedingt um diese Sache kümmern. Es bleibt einem nichts anderes Übrig als die Bitte abzulehnen, Nein zu sagen.
Man sollte sich aber nicht schlecht dabei fühlen. Nein sagen ist eindeutig erlaubt. Du bist der Herr über deine eigenen Entscheidungen und in diesem Fall hast du sogar eine allgemein verständliche Begründung. Du musst dich gerade um deutlich wichtigere Prioritäten kümmern.
Etwas wichtiges wird an dieser Stelle also klar: Nein sagen wird erst möglich, wenn man klare Prioritäten hat. Gleichzeitig hilft das sogar beim Zeit für diese Prioritäten frei-schaufeln. Eigentlich sehr praktisch. Allein die Tatsache, dass man klare Prioritäten hat, hilft dabei, diese Prioritäten auch einzuhalten.
Nein sagen lernen
Der erste Schritt ist klar: du brauchst klare Prioritäten.
Das reicht aber noch nicht. Darüber hinaus, musst du auch noch lernen, die 3 Gründe gegen das Nein sagen, die ich am Anfang besprochen habe, zu überwinden. Andernfalls werden dir in vielen Fällen auch klare Prioritäten nichts helfen. Erst verbunden mit einer viel zu nahen Deadline werden sie zu unwiderstehlichen Argumenten. Vorher kannst du sie ja einfach ein wenig nach hinten verschieben.
Leute möglicherweise zu verletzen lässt sich relativ einfach umgehen. Natürlich sind sie entrüstet, wenn du einfach Nein sagst. Zurecht. Gib wenigstens noch eine sinnvolle Begründung dazu. Zum Beispiel. „Das hält mich davon ab, mich um XY zu kümmern, was für mich eindeutig wichtiger ist. Tut mir leid. Vielleicht, sobald ich das erledigt habe.“ Bis dann haben sie schon jemand anderen gefunden, der ihre Bitte erfüllen kann. Hierfür sind natürlich klare Prioritäten nötig und natürlich der Mut sie auch einzufordern. Wenn es schon deine Prioritäten sind, warum bekommen sie keine Vorrangstellung?
Zum Status Quo gibt es nur eines zu sagen. Du hast es noch nie gemacht? Mach es einmal. Danach wird es nur noch leichter. Jedes Mal wenn du berechtigterweise Nein sagst, ein Stückchen leichter. Probier es mal aus.
Außerdem musst du einfach lernen kleine schlechte Dinge geschehen zu lassen. Dass diese triviale Bitte unerfüllt bleibt, könntest du zwar ändern, aber zu welchem Preis? Diese Zeit kannst du dann nicht für wichtige Dinge verwenden. Du musst kleine schlechte Dinge geschehen lassen, um große wichtige gute Dinge ins Leben rufen zu können. Was ist wichtiger? Dass die kleinen Dinge erledigt werden oder dass du dich um die großen Dinge kümmerst? Was ist schlimmer? Dass die kleinen Dinge unerledigt bleiben, vielleicht auch einfach jemand anderes sich darum kümmert oder dass die großen Dinge liegen bleiben? Nur du kannst Priorität für die großen wichtigen Dinge einfordern. Tue es. Du musst dich davon lösen allen helfen zu können.
Darüber hinaus, gibt es nur eines:
es zur Gewohnheit machen
Unser Ziel ist folgendes: Nein sagen ist die Standardantwort. Von diesem Startpunkt aus überlegst du dir, ob du vielleicht doch die Bitte gewähren solltest. Zu manchen Dingen kann man ja doch ja sagen. Besonders wenn es zu den Zielen passt, die man als seine obersten Prioritäten gesetzt hat.
Das erfordert natürlich – wie jede Gewohnheit – eine Menge Übung, bevor es automatisiert wird und dir mühelos von der Hand geht. Du brauchst eine Menge Disziplin: Jedes Mal, wenn du in Zukunft um etwas gebeten wirst, denke dir sofort klar und deutlich Nein. Gebe dir dann nochmal 2 Sekunden, um über mögliche Gegenargumente nachzudenken, und lehne es dann tatsächlich ab. Natürlich mit der Begründung, dass du dich stattdessen auf deine Priorität konzentrieren wirst. Die Voraussetzung? Kenne deine Prioritäten. Außerdem kannst du natürlich sehr wohl ja sagen, wenn es gut in deinen Zeitplan hineinpasst. Aber die Regel ist klar. Je öfter du Nein sagst, und vor allem je öfter du als erste Reaktion sofort Nein sagen willst, desto stärker wird die Gewohnheit in dir verankert.
Der daraus entstehende Vorteil ist klar. Du hast mehr Zeit dich um die wichtigen Dinge, deine Prioritäten zu kümmern. Dein Terminkalender wird entlastet. Du bist weniger im Stress und kannst dadurch bessere Qualität bei den wichtigen Dingen abliefern. Außerdem hast du endlich Freiheit von den unwichtigen Dingen. Juchhu.