Innovationsbuchhaltung für Startups

Die Implementierung von Innovationsbuchhaltung ist das beste, was einem Startup passieren kann. Hierdurch wird schließlich nachhaltig der Kurs des Unternehmens in die Richtung gelenkt, die in diesem Stadium am wichtigsten ist: möglichst schnell dazulernen. Und sollte ein Startup irgendwann aus seinen Kinderschuhen hinauswachsen und zu einem „echten“ Unternehmen werden, gibt es keinen Grund dieses System wieder abzuschaffen. Auch große Unternehmen profitieren davon, ihren Lernfortschritt zu messen und dadurch zu optimieren.

Genau darum geht es nämlich: Statt wie traditionell die Produktivität einzelner Mitarbeiter oder auch des Systems zu messen, wird der Lernfortschritt gemessen. Am Anfang weiß man noch nichts über den Zielmarkt, die Kunden und die Umsetzbarkeit der Geschäftsidee. Je mehr man hierüber erfährt, desto besser werden die eigenen Produkte und desto größer sind die Chancen tatsächlich ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen. Und genau diese Verbesserung lässt sich messen. Und wie heißt es so schön: Was gemessen wird, wird verbessert. Wer Lernfortschritt, also die tatsächliche Verbesserung des Produkts misst, optimiert genau diesen Aspekt des Unternehmens.

Die traditionelle Variante

Traditionell wird die Produktivität des Einzelnen gemessen und belohnt. Dadurch wird ein ganz klares Ziel erreicht: Höhere Effizienz der Arbeit – denkt man zumindest. Bis man sich mal über die größeren Auswirkungen Gedanken macht, vor allem aus der Perspektive des Lernfortschritts.

Produktivität des einzelnen zu messen, führt nämlich – je nach Messgröße unterschiedlich schnell – zu einer unpraktischen Situation:
Sobald die Übergabezeit an den nächsten Bearbeiter, die natürlich absolut real ist, nicht auch als Produktivität zählt, versucht man sie logischerweise so weit wie möglich zu vermeiden. Das bedeutet, dass man Übergaben einfach seltener durchführt und dabei mehr auf einmal übergibt. In anderen Worten: die Stapelgrößen steigen immer weiter. Und das ist eine sehr unpraktische Angelegenheit.

Größere Stapelgrößen schränken nämlich die Möglichkeit zum lernen ungemein ein. Im (leider sehr häufigen) Fall, dass einmal pro Jahr alle Verbesserungen bzw. Veränderungen am Produkt in einer großen Neuauflage veröffentlicht werden, ist das Lernen praktisch unmöglich. Man erhält nur eine Generalantwort: Insgesamt waren die Bemühungen eher zielführend oder eher nicht. Man kann es gar nicht vorher wissen, wie das Ergebnis aussehen wird. An dieser Stelle erhält man zum ersten Mal Feedback. Wie will man verlässlich vermeiden, dass es negativ ausfällt?

Bei großen Stapelgrößen: gar nicht. Ohne Feedback schwebt man in einer Blase der Imagination, die nur allzu leicht an der Realität zerplatzt. Erst regelmäßiges Feedback ermöglicht dazulernen. Je häufiger man eine Rückmeldung zu den aktuellen Bemühungen erhält, desto schneller kann man diese optimieren und in eine Richtung lenken, die tatsächlich den Wert erhöht, der den Kunden durch das Produkt gebracht wird. Das nennt sich lernen: die Richtung kennen, in der man den Wert für den Kunden erhöhen kann.

Ohne Feedback basiert das alles nur auf raten. Mit regelmäßigem Feedback wird aus vermuten, wissen. Und oft stimmen Vermutung und Realität nicht hundertprozentig überein. Da ist es doch gut, die Realität zu kennen, oder? Nur doof, dass traditionelle Techniken, die Produktivität messen, dem entgegenstehen.

Startups, also Teams, die innovativ sein müssen und also vom Lernen abhängig sind, brauchen also einen anderen Ansatz:

Innovationsbuchhaltung

Hier misst man den Lernfortschritt anhand genauso rigoroser Prinzipien, wie sie auch die traditionellen Herangehensweisen verwenden. Der Effekt ist allerdings anders. Maximaler Lernfortschritt lässt sich schließlich durch das genaue Gegenteil von großen Stapeln erreichen:

Sobald nur noch eine Hypothese auf einmal getestet wird, kann man genau beurteilen, ob sie wahr oder falsch ist. Das bedeutet, dass man etwas dazugelernt hat und in Zukunft informierter vorgehen kann. Je mehr Hypothesen auf einmal auf die Kunden losgelassen werden, desto weniger kann man die Resultate einzelnen Vermutungen zuordnen. Schon zwei auf einmal macht das Lernen unglaublich schwer. Bei Sammel-Verbesserungen ist das Bestätigen von Einzelhypothesen unmöglich. Um dazuzulernen werden also einzelne Hypothesen getestet. Das ist eindeutig der effizienteste Weg neues Wissen über Markt, Kunden, Produkt und Geschäftsidee zu sammeln.

Und nicht nur das. Innovationsbuchhaltung sorgt außerdem dafür, dass diese Zyklen, in denen Hypothesen getestet werden, so häufig wie möglich stattfinden. Auch hier ist schließlich der Zusammenhang klar: Je mehr Hypothesen überprüft werden, desto schneller lernt man dazu. Ganz egal, ob sie jetzt bestätigt oder widerlegt werden. Im Zweifelsfall lernt man eben, wie es nicht funktioniert. Es gibt nur begrente Möglichkeiten. Irgendwann findet man schon eine, die funktioniert.

Und sobald sich diese Innovationsbuchhaltung in Erfolgsbeurteilungen, Arbeitsanreizen und ähnlichem widerspiegelt, entstehen ganz von alleine Systeme und Strukturen, die genau das optimieren, was für ein Startup am wichtigsten ist: Möglichst viele Hypothesen testen, und zwar wenn möglich einzeln. Denn genau das ist es, was den Lernfortschritt voran bringt, und das Unternehmen eines Tages nachhaltig macht.

Lernen messen

Je nachdem, was man misst, kann man unterschiedlich gut den Lernfortschritt erkennen.
Gesamtzahlen sind zum Beispiel überhaupt nicht geeignet. Ihre Veränderung ist meist völlig von den minimalen Verbesserungen des Produkts unabhängig, die man im Tagesgeschäft erzielen kann. Nur auf Gesamtzahlen zu schauen sorgt sogar oft dafür, dass man überhaupt nicht mehr dazulernt, sobald man eine Phase des Wachstums erreicht hat. Bricht diese plötzlich ein, weiß man nicht was los ist.

Viel besser geeignet sind umsetzbare Messgrößen. Sie messen ganz bestimmte Parameter, die später wiederum die Geschwindigkeit des Wachstumsmotors und dadurch des Wachstums beeinflussen. Ein Beispiel wäre zum Beispiel der Prozentsatz der Kunden, die das Produkt wiederverwenden also zu Wiederholungsnutzern werden. Ein anderes Beispiel, die Menge der Neuanwerbungen pro Nutzer. Etc. Was genau am hilfreichsten ist, entscheidet der Wachstumsmotor, also wie das Unternehmen Wachstum erzielt: Durch einen höheren Lebenszeitwert des Kunden als seine Gewinnung gekostet hat, durch Netzwerkeffekte oder durch das Konvertieren von Neuzugängen in Dauerkunden. Was genau das alles bedeutet, werde ich an einem anderen Tag erklären.

Misst man diese Werte über die Zeit hinweg und vor allem in Kohorten, kann man den Lernfortschritt und damit letztendlich den Unternehmenserfolg optimal beurteilen. Wie genau das funktioniert erkläre ich auch ein anderes mal. Darüber hinaus dienen diese Daten außerdem als wichtige Entscheidungsgrundlage.

Entscheidungen

Kleine Entscheidungen, wie zum Beispiel welche Aspekte man übernehmen sollte und welche man lieber wieder zurücknehmen sollte, erledigen sich durch die klare Beantwortung der Hypothesen ganz von alleine. Wie genau man hierfür vorgehen muss (Split-Tests und Kohortenanalyse) erkläre ich ein anderes mal.

Größere Entscheidungen, wie zum Beispiel zwischen Kehrtwende und Durchhalten, werden durch diese Daten überhaupt erst möglich. Anstatt einfach raten zu müssen hat man ganz klare Informationen zur Hand, wie die aktuelle Situation aussieht und welche zukünftigen Fortschritte noch zu erwarten sind. Derartige Informationen werden damit deutlich gewichtiger als leere Größen wie Gesamtzahlen und ähnliches.

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