Die Daseinsberechtigung für einen Artikel ist nur dann gegeben, wenn man auch einen handfesten Grund für seine Existenz angeben kann. Andernfalls hat man nicht nur die Zeit aller Leser, sondern auch die eigene verschwendet. Warum genau sollte man das tun? Anstatt einen Artikel zu schreiben hätte man etwas anderes machen können, das viel stärker auf die eigenen Ziele hinführt. Angenommen zumindest, dass das durch das Schreiben von Artikeln nicht gegeben ist. Ist es das doch, haben sie ja eine Daseinsberechtigung. Sie zu schreiben bringt dich deinen Zielen näher. Sie zu veröffentlichen ist dann nur ein zusätzlicher Schritt, um dich stärker zum Artikelschreiben zu motivieren.
Das war eben eine einfache Beispielantwort. Stellt man sich diese Frage nach der Daseinsberechtigung von Dingen, die man mit viel Aufwand erschaffen hat, ernsthaft, wird man gezwungen das eigene Verhalten zu überdenken. Ist es wirklich so gut, dass es inzwischen zu meiner Gewohnheit geworden ist, jeden Tag einen Artikel zu schreiben? Wäre diese Zeit nicht vielleicht besser aufgehoben, wenn ich sie in irgendetwas anderes investiere? Sobald man beginnt die eigenen Zeitinvestitionen zu messen, kommt man nicht mehr um eine Rechenschaft für eine so vergleichsweise große Zeitinvestition herum. Jeden Tag eine Stunde mindestens. Das addiert sich ziemlich schnell hoch. Vor allem, weil ich früher deutlich langsamer hierbei war.
Aber zurück zum Thema. Ich habe mich selbst nach der Daseinsberechtigung all dieser Artikel auf diesem Blog gefragt. Warum sollten sie existieren? Welchen Grund habe ich jeden Tag einen weiteren Artikel zu schreiben, den vielleicht niemand lesen wird? (Die Aufrufe der einzelnen Artikel sind (wie erwartet) etwa auf einer Hyperbel verteilt: ein paar wenige mit vielen, der Rest alles fast nichts. Neue Artikel fallen mit größter Wahrscheinlichkeit in diesen großen, linken Bereich.) Mir sind ein paar Argumente eingefallen, die unterschiedlich gut kritischen Inspektionen standhalten. Im folgenden ist eine Auswahl präsentiert, sodass ihr möglicherweise besser versteht, was mich dazu antreibt, hier jeden Tag erneut einen Artikel zu veröffentlichen.
Die Daseinsberechtigung
Im Laufe meiner Überlegungen ist mir eines klar geworden: sehr oft schreibe ich aus keinem anderen Grund als der Tatsache, dass es inzwischen Gewohnheit geworden ist und ich gerne meinen Lauf von mehreren hundert Tagen nicht unterbrechen möchte, an denen ich schon in Folge (Artikel) erschaffe. Das ist also der erste und oft einzige Grund: das tägliche Schreiben.
Tägliches Schreiben ist ja schön und gut. Es scheint als Ansporn ja ganz gut zu funktionieren, sobald es in die aktuelle Gewohnheit übersetzt wurde. Aber ich sollte mich zurück-erinnern, warum ich überhaupt damit angefangen habe. Was war der ursprüngliche Zweck dieser Gewohnheit? Ich wollte besser beim Schreiben werden. Das ist sicherlich inzwischen ganz von alleine passiert, insbesondere in den Aspekten, die ich (unbeabsichtigt) messe: Neuerdings bin ich oft innerhalb einer Stunde mit dem Schreiben des Artikels fertig. Das ist eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem Anfang, wo ich mich oft stundenlang herum-gequält habe und oft mit dem Ergebnis eindeutig nicht zufrieden war.
Allerdings ist eine derartige Verbesserung doch nicht die Krux jeglichen Schreibens. Man will doch lernen auf eine Art und Weise zu schreiben, die Menschen inspiriert, so zu schreiben, dass Leser den Text praktisch nicht aus der Hand legen können. Diesem Ziel werde ich durch meine aktuellen Bemühungen nicht wirklich näher gebracht. Man könnte sogar behaupten, dass ich es gar nicht versuche. Wie könnte ich dafür sorgen, dass das in Zukunft wieder besser wird? Ein erster Schritt könnte sein, das Schreiben alleine nicht mehr als ausreichende Daseinsberechtigung für einen Artikel anzusehen. Er muss auch eine Wirkung auf die Welt haben, einen Zweck größer als seine eigene Existenz verfolgen. Dann habe ich auch wieder einen äußeren Ansporn noch besser werden zu wollen. Von selbst daran denken ist gar nicht so einfach. Welchen weiteren Zweck kann die Existenz eines Artikels also noch verfolgen?
gute Argumente liefern
Braucht man einen Ausformulierten Artikel um genug Argumente für etwaige Argumentationen zur Hand zu haben, die man möglicherweise nie führt? Genau das ist nämlich das wahrscheinlichste Schicksal der meisten Argumentationen, die ich hier bisher beschrieben habe: ich werde sie nie in meinem eigenen Leben führen. Und wenn doch, hätte ich vermutlich genauso schnell Argumente gefunden, wie ich es bei diesen Artikeln in der Ideenfindungsphase getan habe.
Darüber hinaus ist es allerdings schon hilfreich. Vielleicht werde ich nie diese Argumentation selbst führen, aber ich übe zumindest schon einmal meine Beispiele zu durchdenken und in funktionierende Sätze zu verpacken. Außerdem kann man mit vorher bekannten und besser durchdachten Belegen viel besser argumentieren, als wenn man sich alles im Augenblick aus der Nase zieht. In gewisser Weise hilft das also beim Training für zukünftige (andere) Diskussionen. Gäbe es hierfür andere Wege, die noch viel besser funktionieren würden? Sehr wahrscheinlich. Die hieraus resultierende Daseinsberechtigung ist also nur recht schwach.
die beste Vorgehensweise erkennen
Das ist ein weiteres häufiges Genre meiner Artikel: die beste Vorgehensweise in einer bestimmten Situation identifizieren und erklären. Das Problem: Nur sehr selten wende ich das danach auch in meinem eigenen Leben an. Oft verbleibe ich einfach bei der alten, unvollständigen Art und Weise gegen die ich ursprünglich vorgehen wollte. Was hat es dann überhaupt gebracht sich so ausführliche Gedanken zu machen?
Jetzt ist zumindest eine (theoretisch) optimale Vorgehensweise bekannt, bei der man nichts vergisst. Falls ich daran denke, dass sie existiert, (und ich mich an sie erinnern kann,) kann ich in Zukunft darauf zurückgreifen. Vielleicht wird dieser Fall ja doch mal kommen und dann bin ich besser dran, als wenn ich mir diese Gedanken nicht gemacht hätte. Wie viel besser? Vermutlich nicht wirklich viel, aber ein bisschen ist besser als gar nichts, oder? Im letzteren Fall würde man schließlich sehr schnell schrittweiser Degeneration erliegen.
das Warum voranbringen
Welches Warum nochmal? Hätte mein Blog ein Warum, das ich hiermit vor allem anderen verfolge, wäre das eindeutig die beste Daseinsberechtigung. Allerdings funktioniert es nun mal einfach nicht, solange noch keines da ist. Was macht man jetzt, um sich den Vorteil dieses ultimativen Zwecks zu ergattern? Vielleicht kann man ihn rückwirkend von den bisherigen Artikeln erschließen. Vielleicht kann man ihn irgendwie anders finden und dann diesem Blog von außen überstülpen. Wie auch immer. Es wird langsam mal Zeit dafür!