Gedanken denken kann unangenehm sein. Besonders wenn es große Gedanken sind, die weit über unsere üblichen Reaktionen auf die Umwelt hinausgehen (Bewunderung, Verärgerung, Überlegungen, …). Es bleiben die eigentlich nur zwei Optionen. Entweder du nimmst die Herausforderung an und lernst diese großen Gedanken zu Ende zu denken. Spürst ihre Macht und wirst mit der Zeit immer besser darin. Oder du betäubst dich selbst, damit du nicht so viele schwierige Gedanken denkst. Im ersten Fall dauert es ein wenig, aber irgendwann hat man sich daran gewöhnt und spürt nur noch die Vorteile. Die zweite Variante, Selbstbetäubung, geht sehr viel einfacher und schneller und noch dazu haben wir vermutlich schon eine Menge Übung.
Grundsätzlich gilt schließlich, dass alles, was dich vom Denken abhält, diese Gedanken betäubt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten. Sobald man irgendetwas arbeitet und dabei Anweisungen befolgt, denkt man nicht mehr über etwas anderes nach. Nur in dem Fall, dass alles andere, was man auch noch gleichzeitig macht, so stark automatisiert ist wie atmen und genauso ungesteuert funktioniert, kann man gleichzeitig große Gedanken denken. Und anscheinend lässt sich dieser Zustand relativ einfach vermeiden. Schon einen Kuchen backen erfüllt die Anforderungen. Dabei wirst du ja vermutlich ein Rezept verwenden, oder?
Selbstbetäubung
Es gibt hier einen wichtigen Teufelskreis zu beachten. Je öfter man die eigenen Gedanken betäubt, desto weniger ist man daran gewöhnt tatsächlich zu denken, desto unangenehmer sind die Situationen, in denen es vielleicht doch dazu kommt. Und je unangenehmer das denken ist, desto schneller wird zu einer betäubenden Maßnahme gegriffen. Diese Variante ist ganz einfach die einfachere.
Alternativ brauchst du einen starken inneren Drang diese Herausforderung zu bestehen. Besonders am Anfang wird es viel Überwindung kosten. Du kannst eine Gewohnheit einführen, die dafür sorgt, dass du jeden Tag eine gewisse Zeit nur für denken verwendest. Aber man kann nicht einfach auf Befehl große Gedanken denken. Vielleicht wirst du ja mit Übung ein wenig besser darin, aber die eigentliche Herausforderung liegt woanders. Wenn die großen Gedanken einfach so kommen, musst du bereit sein. Anstatt nach Selbstbetäubung zu greifen, musst du dann die Gedanken zu Ende denken. Und wenn du gerade dringend etwas anderes machen musst, schreib dir zumindest die Themen auf, sodass du später darüber nachdenken kannst. Andernfalls werden sie verloren gehen und du hast einmal mehr deine Gedanken unterdrückt. Entsprechend ist für später aufschreiben auch nur die Notlösung. Versuche im Zweifelsfall immer sofort nachzudenken, die Gedanken zu Ende zu führen und auch all die Dinge zu machen, zu denen deine Gedanken geführt haben. Zieh es auch durch, sonst haben deine Gedanken nichts gebracht.
ist antrainiert
Was für eine haltlose Behauptung? Denk mal darüber nach, was die Hauptaufgabe eines jeden Schülers ist. Möglichst schnell (genug) und korrekt alle angegebenen Aufgaben bearbeiten. Das ewige Faktenlernen und Aufgaben üben trainiert es dir an, in Tests wird es abgefragt: Wie gut bist du schon im kopflosen Aufgaben befolgen. Natürlich muss man eventuell denken, um die Aufgaben zu lösen, aber dann ist auch das ein Teil der Aufgabe, der eben nicht explizit aufgeschrieben wurde. Nur in Kunst haben sie das nicht. Hier kann es einfach nicht funktionieren. In jedem anderen Schulfach könnten sie gegeben werden, aber nicht in Kunst. Natürlich gibt es auch hier Anforderungen, die zu befolgen sind, aber wer exakte Anweisungen will, ist an der falschen Stelle und wird nicht sehr weit kommen.
Nirgendwo in der Schule bringen sie dir bei, große Gedanken zu denken, wenn sie in deinem Kopf auftauchen. Diese Gedanken konsequent zu Ende zu denken, wenn sie schon mal da sind. Und dann auch all diese Dinge durchzuziehen, die du jetzt als erforderlich erkannt hast. (Oder zumindest diese Erkenntnisse in der nächsten relevanten Situation auch bedenken.) Das ist doch mal eine gute Fähigkeit. Nur leider musst du sie dir selbst beibringen.
Wieso funktioniert das so? Ganz einfach, das alles ist …
ein altes System
Als unser Schulsystem entwickelt wurde, gab es nichts wichtigeres als gehorsame Bürger. Gebildet genug um komplexe Aufgaben durchzuführen, aber nicht bereit selbst zu denken. Ganz viele Zahnrädchen für das große System. Inzwischen gab es natürlich einige Verbesserungen. Es sind viele Schritte in die richtige Richtung gegangen worden. Aber das System ist immer noch das selbe wie damals. Noch immer wird den Leuten jahrelang demonstriert, dass sie nur die Anweisungen befolgen müssen, um sich erfolgreich selbst betäuben zu können und wie angenehm das ist.
Denn nicht denken müssen ist eindeutig angenehm. Solange man darin steckt, merkt man gar nicht was einem entgeht. Die wenigen Berührungen mit echten Gedanken werden wieder abgebrochen, weil sie so unangenehm sind – oft lange bevor man darüber nachdenkt, wie gefährlich es ist nicht zu denken. Wenn man das einmal macht, kommt man womöglich auf einen anderen Pfad. Einen Pfad, auf dem man versucht so viele echte Gedanken wie möglich zu denken und mit der Zeit immer besser wird. Mit viel Training wird dann denken genauso angenehm wie nicht denken und gleichzeitig viel sinnvoller. Dann hat man kein Problem mehr Situationen des Nicht-Denkens zu bemerken und zu vermeiden. Sie fühlen sich nicht mehr so sinnvoll an.
An sich könnten also immer wieder einige Menschen dieser Senke entfliehen. Aber es sind viel weniger, als man aufgrund der bisherigen Informationen erwarten würde. Wieso? Es kommt noch ein weiterer Effekt dazu.
kopfloser Konsum
Ich nenne ihn kopflos, weil man nichts denken muss. Und wenn man nicht denken muss, sondern die ganze Zeit von außen überflutet wird, betäubt das die Gedanken. Fernsehen funktioniert noch viel besser als Anweisungen befolgen. Kein Wunder, dass es ein fester Bestandteil vieler Tagesabläufe ist.
Das ganze verstärkt sich selbst. Wer einmal verlernt große Gedanken zu denken, dem fällt es immer schwerer den krallen der Alternativen zu entkommen, die alle so angenehm sind. Besonders kopfloser Konsum zerstört die Zeiten, in denen du eine Chance hättest dich gegen die Einflüsse deiner Arbeit zu wehren. (Hier musst du vermutlich Anweisungen befolgen, um Geld zu bekommen.) Freizeit sollte nicht mir Selbstbetäubung vollgepumpt werden, sondern kreativ gestaltet werden. Du solltest Dinge machen, die dich persönlich weiterbringen und zum denken anregen. Und du solltest natürlich auch Platz für diese Gedanken machen. Wer weiß welche tollen Sachen du alles denken wirst.
Es bleibt nur noch eine Frage: traust du dich das auch?