Chancen und Gefahren des Denkschwall Phänomens

Gestern Abend hatte ich ein beeindruckendes Erlebnis. Einen Denkschwall. So habe ich das Phänomen getauft, denn so hat es sich angefühlt. Ich wurde praktisch von Gedanken überrollt, die endlich auch mal gedacht werden wollten. Sie sind geradezu aus mir heraus geströmt – in einem großen Schwall, der eine ganze Stunde angedauert hat und dann von mir zwangsweise unterbrochen wurde, weil ich dringend schlafen musste. Noch jetzt spüre ich die Nachwirkungen des Geisteszustands, in dem ich mich dabei befunden habe. Höchst Kreativ trifft es nur ansatzweise. Gleichzeitig waren da schließlich noch diese Themen, über die ich unbedingt mal nachdenken wollte. Und vielleicht noch mehr? Wer weiß. Das kann ich erst beurteilen, wenn es mir nochmal passiert.

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Was hältst du von 20 Minuten Denken pro Tag?

20 Minuten Denken am Tag ist eine hervorragende Gewohnheit. Und ich meine nicht das normale Denken, das jeden deiner wachen Schritte begleitet. Ich meine klare, möglicherweise zielgerichtete andernfalls sich in alle Richtungen ausdehnende Gedanken. Wie häufig denkst du solche Gedanken? Bei den meisten Menschen geht das völlig unter. Wenn sie doch mal solche Gedanken denken, brechen sie es schnell wieder ab, weil das Gefühl unangenehm ist. Sie sind einfach nicht mehr daran gewöhnt.

Und dementsprechend entgehen ihnen dann auch eine Menge der Vorteile die aus dieser Praxis erwachsen. Ich persönlich bin ein großer Fan davon. Ich habe sogar einen großen Kalender in meinem Zimmer hängen, an dem ich jeden Tag abhake, an dem ich erfolgreich 20 Minuten Denken eingebaut habe. Man muss sich bloß daran erinnern, dann findet man bestimmt Zeit dafür. Und der Versuch die Kette der Häkchen nicht zu unterbrechen ist in diesem Fall Erinnerung genug. Es handelt sich schließlich um eine Gewohnheit, die nicht mit allzu großen unangenehmen Gefühlen verbunden ist. Am Anfang deckt man vielleicht einige Dinge auf, vor denen man bisher immer davon gelaufen ist, aber auch das ist eigentlich eine positive Erfahrung. Und später überwiegen eindeutig all die Erkenntnisse, die du über dein Leben und alles darin ziehen kannst. Nur ein kleines bisschen Nachdenken das nicht direkt auf die Lösung eines Problems gerichtet ist, kann dir eine Menge über dein Leben verraten. Schließe es nicht daraus aus. Das ist eine viel wichtigere Investition als fast alles andere, was du noch mit deiner Zeit anfangen kannst.

20 Minuten Denken

Die Regeln sind einfach und die daraus resultierenden Vorteile zahlreich. Reserviere 20 Minuten deines Tages für Denken. Hier darfst du nichts anderes machen als nachdenken. Denke weit und frei über alles mögliche nach, beschränke dich nicht auf einzelne Probleme, die du lösen möchtest. Und höre nicht auf, bevor du nicht mindestens 20 Minuten deinen Gedanken freien Lauf gelassen hast. Wenn du es richtig machst, wirst du nach 20 Minuten bestimmt noch nicht aufhören wollen. Lasse dich ruhig noch ein bisschen weiter davon mittragen. Je länger du das machst, desto interessanter werden deine Erkenntnisse. Irgendwann werden sie allerdings vorerst versiegen, dann darfst du aufhören. Vor dem nächsten Mal, solltest du irgendetwas erleben, deinen Kopf mit neuen Ideen füttern, sodass du neue Gedanken denken kannst.

Mitschreiben

Wenn du willst, halte deine Gedanken in Stichpunkten fest. Viel mehr kannst du natürlich nicht schnell genug mitschreiben. Aber eine gewisse Information, über was du alles nachgedacht hast, ist später sicherlich sehr interessant. Außerdem hat das noch einen weiteren praktischen Nebeneffekt: Es macht deinen Kopf frei. Das alleine sollte schon Ansporn genug sein, diese Gewohnheit täglich durchzuführen. Wie das geschieht ist simpel:

Grundsätzlich gilt, dass dein Kopf alles loslassen kann, was du aufgeschrieben hast. Er muss es nicht mehr ständig wiederholen, sodass du es auch ja nicht vergisst. Wenn du dich daran zurück-erinnern möchtest, musst du ja nur auf dem Blatt nachschauen. Je mehr du deine Gedanken also aufschreibst, desto mehr von ihnen können deinen Kopf verlassen. Das macht ihn frei für wichtige Gedanken, die bisher einfach unter einem großen Haufen oberflächlicher Dinge erstickt wurden. Es macht dein Denken klar und was will man mehr?

Klare Gedanken sollte das oberste Ziel dieser Bemühungen sein. Sie sind unglaublich praktisch in deinem Leben und lassen sich wunderbar einfach dadurch erreichen, dass du eine gewisse Zeit auf freies und weites Denken investierst. Zum Beispiel 20 Minuten Denken pro Tag, die genauen Zeiten bleiben allerdings dir überlassen. Hauptsache du denkst überhaupt und zwar mehr als eine gewisse Menge am Stück. Es muss ja nicht jeden Tag sein, aber mit einer gewissen Übung erkennst du, ab wann du den Haufen weg-geschaufelt hast und an die besonders guten Gedanken kommen kannst.

Tagesreflektion

Das sollte deine Hauptbeschäftigung sein, sobald du all die Dinge aufgeschrieben hast, die deinen Kopf so stark blockieren, dass du an nichts anderes mehr denken kannst (auch bekannt als Braindump). Du erkennst die Gelegenheit, sobald der Strom der Gedanken langsamer wird und du mit dem Aufschreiben hinterher kommst. Jetzt solltest du dir also ein gewisses Ziel setzen: Was ist heute alles passiert?

Welche interessanten Ideen oder wichtigen Einfälle hattest du, die du vergessen hast aufzuschreiben, an die du dich allerdings jetzt zurück-erinnern kannst? Schreibe sie auf. Was resultiert daraus für dich in Zukunft? Wie hast du dich bei deinen heutigen Aktivitäten gefühlt? Wie in Interaktionen mit anderen? Welche Fehler hast du heute gemacht und wie kannst du aus ihnen lernen? All diese Fragen werden bestimmt Antworten finden, wenn du nach ihnen suchst. Jeder fühlt etwas und die eigenen Gefühle zu erkennen ist der erste Schritt zur Selbstkenntnis. Jeder macht Fehler und die eigenen Fehler zu kennen, ermöglicht dir aus ihnen zu lernen. Aus deinen Fehlern zu lernen bedeutet, dass du jeden Tag Schritt für Schritt besser wirst. Wer könnte mehr von einem Menschen erwarten?

Und schließlich solltest du auch festlegen, wie du all diese Erkenntnisse umsetzen wirst. Was bedeutet das für dein Leben? Wie wirst du dich in Zukunft anders verhalten. Schreibe es auf, dann kannst du in einer zukünftigen Sitzung deine Fortschritte überprüfen.

die großen und wichtigen Fragen

Jetzt hast du Zeit über sie nachzudenken. Wenn du eine in deinen Gedanken bemerkst, stürze dich darauf. Überlege dir erste Antworten, bedenke all die Konsequenzen und Auswirkungen, die diese Frage hat. Verschiebe sie nicht auf später. Wann sonst, willst du dich darum kümmern?

Die wenigsten Leute denken rechtzeitig über die großen Fragen des Lebens nach. Sie beginnen damit, wenn sie durch äußere Umstände gezwungen werden und sind dann logischerweise ziemlich knapp dran. Da ist es doch besser, wenn du eine angemessene Menge Zeit investiert hast, über diese Fragen nachzudenken.

Keine Sorge, du musst sie ja nicht heute beantworten, aber denke zumindest über sie nach. Eines Tages wirst du froh sein, dass du ihnen schon so viele Gedanken gewidmet hast.

Selbsterkenntnis

Wenn du 20 Minuten Denken jeden einzelnen Tag betreibst, erhältst du ziemlich schnell ziemlich wertvolle Daten. Schon nach dem ersten Mal, weißt du, was dich aktuell beschäftigt. Nach ein paar Mal kannst du einen gewissen Verlauf erkennen. Und mit der Zeit wirst du die großen Themen benennen können, die dich schon lange und vor allem immer wieder beschäftigen. Das ist eine sehr mächtige Variante der Selbsterkenntnis. Lasse sie dir nicht entgehen!

Selbstbetäubung im ganz großen Maßstab

Gedanken denken kann unangenehm sein. Besonders wenn es große Gedanken sind, die weit über unsere üblichen Reaktionen auf die Umwelt hinausgehen (Bewunderung, Verärgerung, Überlegungen, …). Es bleiben die eigentlich nur zwei Optionen. Entweder du nimmst die Herausforderung an und lernst diese großen Gedanken zu Ende zu denken. Spürst ihre Macht und wirst mit der Zeit immer besser darin. Oder du betäubst dich selbst, damit du nicht so viele schwierige Gedanken denkst. Im ersten Fall dauert es ein wenig, aber irgendwann hat man sich daran gewöhnt und spürt nur noch die Vorteile. Die zweite Variante, Selbstbetäubung, geht sehr viel einfacher und schneller und noch dazu haben wir vermutlich schon eine Menge Übung.

Grundsätzlich gilt schließlich, dass alles, was dich vom Denken abhält, diese Gedanken betäubt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten. Sobald man irgendetwas arbeitet und dabei Anweisungen befolgt, denkt man nicht mehr über etwas anderes nach. Nur in dem Fall, dass alles andere, was man auch noch gleichzeitig macht, so stark automatisiert ist wie atmen und genauso ungesteuert funktioniert, kann man gleichzeitig große Gedanken denken. Und anscheinend lässt sich dieser Zustand relativ einfach vermeiden. Schon einen Kuchen backen erfüllt die Anforderungen. Dabei wirst du ja vermutlich ein Rezept verwenden, oder?

Selbstbetäubung

Es gibt hier einen wichtigen Teufelskreis zu beachten. Je öfter man die eigenen Gedanken betäubt, desto weniger ist man daran gewöhnt tatsächlich zu denken, desto unangenehmer sind die Situationen, in denen es vielleicht doch dazu kommt. Und je unangenehmer das denken ist, desto schneller wird zu einer betäubenden Maßnahme gegriffen. Diese Variante ist ganz einfach die einfachere.

Alternativ brauchst du einen starken inneren Drang diese Herausforderung zu bestehen. Besonders am Anfang wird es viel Überwindung kosten. Du kannst eine Gewohnheit einführen, die dafür sorgt, dass du jeden Tag eine gewisse Zeit nur für denken verwendest. Aber man kann nicht einfach auf Befehl große Gedanken denken. Vielleicht wirst du ja mit Übung ein wenig besser darin, aber die eigentliche Herausforderung liegt woanders. Wenn die großen Gedanken einfach so kommen, musst du bereit sein. Anstatt nach Selbstbetäubung zu greifen, musst du dann die Gedanken zu Ende denken. Und wenn du gerade dringend etwas anderes machen musst, schreib dir zumindest die Themen auf, sodass du später darüber nachdenken kannst. Andernfalls werden sie verloren gehen und du hast einmal mehr deine Gedanken unterdrückt. Entsprechend ist für später aufschreiben auch nur die Notlösung. Versuche im Zweifelsfall immer sofort nachzudenken, die Gedanken zu Ende zu führen und auch all die Dinge zu machen, zu denen deine Gedanken geführt haben. Zieh es auch durch, sonst haben deine Gedanken nichts gebracht.

ist antrainiert

Was für eine haltlose Behauptung? Denk mal darüber nach, was die Hauptaufgabe eines jeden Schülers ist. Möglichst schnell (genug) und korrekt alle angegebenen Aufgaben bearbeiten. Das ewige Faktenlernen und Aufgaben üben trainiert es dir an, in Tests wird es abgefragt: Wie gut bist du schon im kopflosen Aufgaben befolgen. Natürlich muss man eventuell denken, um die Aufgaben zu lösen, aber dann ist auch das ein Teil der Aufgabe, der eben nicht explizit aufgeschrieben wurde. Nur in Kunst haben sie das nicht. Hier kann es einfach nicht funktionieren. In jedem anderen Schulfach könnten sie gegeben werden, aber nicht in Kunst. Natürlich gibt es auch hier Anforderungen, die zu befolgen sind, aber wer exakte Anweisungen will, ist an der falschen Stelle und wird nicht sehr weit kommen.

Nirgendwo in der Schule bringen sie dir bei, große Gedanken zu denken, wenn sie in deinem Kopf auftauchen. Diese Gedanken konsequent zu Ende zu denken, wenn sie schon mal da sind. Und dann auch all diese Dinge durchzuziehen, die du jetzt als erforderlich erkannt hast. (Oder zumindest diese Erkenntnisse in der nächsten relevanten Situation auch bedenken.) Das ist doch mal eine gute Fähigkeit. Nur leider musst du sie dir selbst beibringen.

Wieso funktioniert das so? Ganz einfach, das alles ist …

ein altes System

Als unser Schulsystem entwickelt wurde, gab es nichts wichtigeres als gehorsame Bürger. Gebildet genug um komplexe Aufgaben durchzuführen, aber nicht bereit selbst zu denken. Ganz viele Zahnrädchen für das große System. Inzwischen gab es natürlich einige Verbesserungen. Es sind viele Schritte in die richtige Richtung gegangen worden. Aber das System ist immer noch das selbe wie damals. Noch immer wird den Leuten jahrelang demonstriert, dass sie nur die Anweisungen befolgen müssen, um sich erfolgreich selbst betäuben zu können und wie angenehm das ist.

Denn nicht denken müssen ist eindeutig angenehm. Solange man darin steckt, merkt man gar nicht was einem entgeht. Die wenigen Berührungen mit echten Gedanken werden wieder abgebrochen, weil sie so unangenehm sind – oft lange bevor man darüber nachdenkt, wie gefährlich es ist nicht zu denken. Wenn man das einmal macht, kommt man womöglich auf einen anderen Pfad. Einen Pfad, auf dem man versucht so viele echte Gedanken wie möglich zu denken und mit der Zeit immer besser wird. Mit viel Training wird dann denken genauso angenehm wie nicht denken und gleichzeitig viel sinnvoller. Dann hat man kein Problem mehr Situationen des Nicht-Denkens zu bemerken und zu vermeiden. Sie fühlen sich nicht mehr so sinnvoll an.

An sich könnten also immer wieder einige Menschen dieser Senke entfliehen. Aber es sind viel weniger, als man aufgrund der bisherigen Informationen erwarten würde. Wieso? Es kommt noch ein weiterer Effekt dazu.

kopfloser Konsum

Ich nenne ihn kopflos, weil man nichts denken muss. Und wenn man nicht denken muss, sondern die ganze Zeit von außen überflutet wird, betäubt das die Gedanken. Fernsehen funktioniert noch viel besser als Anweisungen befolgen. Kein Wunder, dass es ein fester Bestandteil vieler Tagesabläufe ist.

Das ganze verstärkt sich selbst. Wer einmal verlernt große Gedanken zu denken, dem fällt es immer schwerer den krallen der Alternativen zu entkommen, die alle so angenehm sind. Besonders kopfloser Konsum zerstört die Zeiten, in denen du eine Chance hättest dich gegen die Einflüsse deiner Arbeit zu wehren. (Hier musst du vermutlich Anweisungen befolgen, um Geld zu bekommen.) Freizeit sollte nicht mir Selbstbetäubung vollgepumpt werden, sondern kreativ gestaltet werden. Du solltest Dinge machen, die dich persönlich weiterbringen und zum denken anregen. Und du solltest natürlich auch Platz für diese Gedanken machen. Wer weiß welche tollen Sachen du alles denken wirst.

Es bleibt nur noch eine Frage: traust du dich das auch?