Das kannst du nicht mit deinen Erfahrungen vergleichen

Nach den leichter verdaulichen Ratschlägen des Wiederholungen Vermeidens und kurz Haltens, kommen wir heute zu einem Konversationen-verbessernden Tipp, der allgemeiner Meinung deutlich entgegen steht und gleichzeitig aber trotzdem am besten wissenschaftlich belegt ist. Es geht um folgende Situation: Jemandem geht es offensichtlich nicht so gut, er möchte darüber reden. Du erklärst dich bereit und steuerst sogar eine Geschichte über eine ähnliche Situation bei, in der du dich mal befunden hast, damit er sich besser fühlt.

Was passiert jetzt? Der andere nimmt das ganze irgendwie nicht so auf, wie du es beabsichtigt hast. Sobald du das bemerken kannst, bist du schon auf dem Weg der Besserung. Deine eigene Geschichte zu erzählen ist nämlich in den allermeisten Fällen nicht gerade das beste, was du machen kannst. Es gibt andere Optionen, wie du in dieser Situation helfen kannst. Deine Erfahrungen zählen meistens nicht dazu. Warum ist das so? Um das zu verstehen, müssen wir derartige Situationen noch mal genauer anschauen. Du musst erkennen, was hier wirklich passiert, um zu verstehen, warum die Standardverhaltensweise hier nicht angebracht ist. Gleichzeitig wirst du dann auch beurteilen können, welche anderen Optionen dir offen stehen, und warum sie besser sind. Bereit?

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h2>Solltest du das mit deinen Erfahrungen vergleichen?

Wir beginnen erneut in der Situation von vorhin: Jemandem geht es nicht so gut, er möchte darüber reden. Aber bevor wir jetzt dazu übergehen, was du machen kannst, müssen wir erst mal verstehen, was hier überhaupt gebraucht wird.

Die weit verbreitete Verhaltensweise eine eigene, ähnliche Geschichte zu erzählen, sodass der andere weiß, dass man ihn versteht und er nicht alleine ist, ist es nun mal einfach nicht. Das Problem ist klar. Es ist nun mal ganz und gar nicht das gleiche. Jeder hat seine eigene subjektive Sicht auf die Welt. Und bei solchen emotionsgeladenen Themen, kann man die Differenzen zwischen solchen Erzählungen und der eigenen Erfahrung nicht einfach übersehen. Ihnen kommt plötzlich eine monumentale Bedeutung zu. Solange die Person, die trösten möchte, von ihren eigenen Erfahrungen spricht, kann sie niemals wirklich verstehen. Sie ist im Kopf gerade bei sich selbst. Das wird die Person, der man eigentlich helfen wollte, aus einem ganz einfachen Grund verärgern: Es geht nicht mehr um sie, sondern um dich:

Wie Unterhaltungen funktionieren

Das ist etwas, dessen man sich auf jeden Fall bewusst werden sollte. Unterhaltungen sind ein ständiges Austauschen von Aufmerksamkeit. Mal spricht hauptsächlich die eine Person, die andere hört zu, dann tauschen die Rollen. (Und dann wieder und wieder und wieder.) Das passiert übrigens nicht sobald der Sprecher wechselt, sondern vor allem durch eine Sorte Aussage, die auch Shift-Response genannt wird. Dabei lenkt man die Aufmerksamkeit der Unterhaltung von jemand anderen auf sich selbst. Normalerweise ist das auch völlig in Ordnung. Nur manche Personen verlangen ein ungesundes Maß an Aufmerksamkeit auf ihrer eigenen Person.

In diesem Spezialfall, den wir aktuell betrachten, ist allerdings etwas anders. Statt eine normale Unterhaltung zu führen, braucht die Person in der nervenaufreibenden Situation etwas anderes: einen aufmerksamen Zuhörer. Sie möchte sich nicht mit dir Unterhalten, sie möchte, dass du zuhörst. Und genau das solltest du auch machen.

Das richtige Verhalten

Spare dir deine eigenen Geschichten in dieser Situation einfach komplett. Du wirst mehr als genug Zeit haben, sie in normalen Unterhaltungen zum Besten zu geben. Jetzt wird von dir etwas anderes verlangt: aufmerksam zuhören, den anderen ermutigen weiter zureden, Zeit in diese Beziehung zu investieren.

Das gibt dem anderen die Möglichkeit das Geschehene zu verarbeiten, indem er darüber redet. Er redet sich seine Sorgen von der Seele und betrachtet schließlich die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln. Er kann vielleicht mit einzelnen Aspekten abschließen und kommt vor allem zu ganz neuen Erkenntnissen. Es kann dir durchaus passieren, dass dir am Ende einer solchen Herz-Ausschüttung für deine tollen Ratschläge gedankt wird – obwohl du gar keine beigesteuert hast.

Und das solltest du auch gar nicht. Wie gesagt: deine Aufgabe ist jetzt zuzuhören. Dann hast du vielleicht sogar die Chance den anderen tatsächlich zu verstehen. (Was du ursprünglich demonstrieren wolltest, als du versucht warst deine eigene Geschichte zum besten zu geben.) Das ist schließlich die wahre Macht von aktivem Zuhören. Du solltest es in viel mehr Situationen anwenden, als dieser speziellen, wenn du geradezu dazu gezwungen wirst. Du kannst auf diese Weise viel über die Welt lernen: die Sichtweisen anderer Menschen verstehen, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, was sie aktuell beschäftigt. Und dieses Verständnis kann dich sehr weit bringen. Du solltest es auf keinen Fall belächeln. Wie immer gilt schließlich auch hier: Sobald du es einmal erlebt hast, wirst du nicht mehr darauf verzichten wollen.

Der erlaubte Rahmen

Wie immer gibt es natürlich auch hier Ausnahmen. Wenn von dir zum Beispiel mehr verlangt wird, als nur zuzuhören, wirst du irgendwann danach gefragt werden. Dann darfst du Ratschläge geben (falls du danach gefragt wurdest). Dann darfst du eigene Erfahrungen nacherzählen (falls du danach gefragt wurdest). Wenn du ganz sicher sein willst, dass dir eine derartige Gelegenheit dem anderen noch mehr als nur durch Zuhören zu helfen nicht entgeht, kannst du ja am Anfang der Interaktion ausdrücklich danach fragen, was von dir erwartet wird. Sollst du nur Zuhörer sein, oder vielleicht Mentor oder Vergleichsobjekt? Sobald die Erwartungen ausgesprochen wurden, kannst du sie auch nicht aus Versehen enttäuschen.

Aber hierbei kannst du mir getrost vertrauen: Du wirst nur sehr selten überhaupt mehr machen müssen als nur zuzuhören. Mit einem aktiven Zuhörer über so aufrüttelnde Ereignisse zu sprechen ist in sich selbst schon eine unglaublich therapeutische Erfahrung. Ein Psychotherapeut würde oft auch nicht mehr machen, als zuzuhören und vielleicht mit gezielten Fragen die Konversation in eine noch produktivere Richtung zu lenken. (Das heißt allerdings nicht, dass du dich als Psychotherapeut sehen solltest. Dein Job ist klar: aktiv zuhören, weil es so hilfreich ist, sich seine Sorgen von der Seele zu reden.)

Hoffentlich verstehst du jetzt, warum es ungünstig ist in solchen Situationen von der eigenen Erfahrung zu sprechen. Anstatt dem anderen die Möglichkeit zu geben das Geschehene zu verarbeiten, lenkt man den Fokus des Gesprächs auf sich selbst und eine Geschichte, die gar nicht mit den Erlebnissen der anderen Person übereinstimmen kann. Es ist nun mal nicht das Gleiche. Man kann keine Erfahrungen vergleichen! (Zumindest nicht in einem solchen seelischen Zustand.)

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