Simple Sprache und der Vorteil der Einfachheit

Gestern habe ich über ein Problem gesprochen, das jeder kennt: Einfach nicht das perfekte Wort für diese eine Sache finden, die man gerade beschreiben möchte. Nichts passt perfekt zu der Vorstellung, die man ganz klar in seinem Kopf hat, aber einfach nicht in Worte fassen kann. Und dabei hat man noch völlig ignoriert, dass jede Person vermutlich etwas leicht unterschiedliches unter den meisten Wörtern versteht. Sobald du darauf Rücksicht nehmen willst, ist sowieso schon alles zu spät. Und jetzt stell dir mal vor, du hättest dich auch noch dazu verpflichtet simple Sprache zu verwenden. „Weil das besser ist.“ Wie soll man unter solchen Umständen nur erfolgreich kommunizieren?

Der erste Schritt muss sein das wahre Ziel von Kommunikation zu erkennen. Es geht niemals darum exakt das in Worte zu fassen, was man gerade denkt. Das ist nun mal einfach grundsätzlich unmöglich, da die Menge der Gedanken unendlich größer als die der verschiedenen Wörter ist. Stattdessen setzt man sich ein etwas niedrigeres Ziel: man möchte verstanden werden. Der Gegenüber hat schließlich auch ein bisschen Fantasie und vor allem Erfahrung mit seiner eigenen Psyche und kann dann aus den Worten, die er vernommen hat, wieder seine eigene Simulation zusammenbasteln, wie es in deinem Kopf aussieht. So viel kann man dem anderen schon zutrauen. Sobald du verstanden wurdest, hat die Sprache ihren Zweck erfüllt. Es geht (außer bei Poesie) nicht darum etwas besonders hübsch oder mit möglichst wenigen (dafür umso komplizierteren) Wörtern auszudrücken. Es geht darum, dem anderen klar zu machen, was man möchte/braucht/antwortet/etc.

Die bisherige Diskussion geht allerdings noch völlig am eigentlichen Ziel vorbei. Auch wenn man als intelligenter Mensch vielleicht versucht ist seltene Wörter zu verwenden, um etwas mit einer möglichst hohen Informationsdichte (oder einfach nur geschwollen) auszudrücken, ist das nicht unbedingt der intelligenteste Weg. Ganz unabhängig vom Wortschatz deines Gegenübers ist es meiner Meinung nach immer besser simple Sprache zu verwenden, als sich in komplexen Sätzen zu verstricken.

Simple Sprache

Denn nicht nur du verstrickst dich dann in diesen komplexen Sätzen, sondern auch dein Gegenüber sobald er auch nur einmal kurz in seiner Aufmerksamkeit nachlässt. Und das sind dann nur die, die dir überhaupt folgen konnten. Der Rest bleibt völlig uninformiert und wird, falls du Glück hast nur wütend auf dich, weil du ihn so unhöflich vor den Kopf stößt. Womöglich beschuldigt er sich aber auch selbst, das er „so dumm“ ist, etc. Wie willst du das bitte jemals wieder reparieren?

Rede lieber gleich mit simpler Sprache. Simple Sprache ermöglicht allen, die dich hören, auch zu verstehen was du sagst. Und nicht nur das, sie können sogar mitdenken, weil nicht die komplette Aufmerksamkeit darauf aufgewendet werden muss, zu verstehen, was zur Hölle du gerade eigentlich gemeint hast. Und wenn die Menschen dich verstehen und mitdenken, dann verstehen sie auch bald die Konzepte, von denen du geredet hast. Dann glauben sie dir eher und bauen vor allem ein Vertrauensverhältnis auf. „Diese Person weiß wovon sie redet.“ Das ist nämlich letztendlich die eigentliche Wirkung simpler Sprache: Kompetenz beweisen. Nur wenn man etwas wirklich verstanden hat, kann man es auch in simplen Worten erklären.

Hinter Sprache verstecken…

Hast du schon mal ein Konzept aus einem Fachgebiet einem Laien erklären müssen? Hast du es zuerst bereitwillig versucht, nur um dann festzustellen, dass der andere die ganzen Wörter, mit denen sich das wunderbar leicht erklären lässt, gar nicht kennt. Wörter, die du und deine Kollegen jeden Tag ganz selbstverständlich verwenden. Tja. Das sind Fachwörter. Die Konzepte, die dahinter stehen, sind eigentlich der schwierigste Teil am ganzen erklären. Jemandem, der vorher noch nie davon gehört hat, kannst du sie nicht einfach vor die Füße werfen und erwarten, dass er schon weiß, was du damit meinst. Möglicherweise gibst du jetzt auf. Dann versteckst du dich hinter diesen Fachbegriffen und vertust die Chance selbst die Zusammenhänge endlich so wirklich verstehen zu können.

Die wahre Kunst besteht dagegen darin auch diese Konzepte, die normalerweise niemand genauer erläutert, in simple Sprache fassen zu können. Dann kannst du die gesamte Sache, die du ursprünglich erklären wolltest, in einfacher Sprache erläutern, denn die Zusammenhänge dazwischen sind jetzt auch nicht mehr schwierig. Und das wiederum bedeutet, dass du es jedem erklären kannst, egal auf welchem Level er startet, denn simple Sprache versteht jeder. Das ist schließlich die Definition.

oder die Herausforderung annehmen

Simple Sprache verwenden ist gar nicht so einfach. Solange du dich trotzdem kurz halten möchtest, und nicht ewig um den heißen Brei herum reden willst, bis du endlich verstanden wirst, musst du das, wovon du redest, wirklich verstanden haben. Dann verwendest du sofort die einfachste Erklärung der wichtigsten Konzepte und keine weiteren Worte sind notwendig. Aber das erfordert Übung. Man kann es nicht von Geburt an. Neben dem Erlangen von Verständnis für die Dinge, über die man redet, bleiben einem allerdings nicht viel mehr Möglichkeiten als das halten an gewisse Grundprinzipien:

Grundprinzipien

  • kurze Sätze, möglichst wenige Nebensätze, Subjekt+Verb+Objekt reicht vielleicht schon aus
  • unnötige Wörter weglassen: das ist ein ziemlich lehrreiches Spiel: Versuchen möglichst viele Wörter wegzulassen ohne dass man nicht mehr verstanden wird.
  • unnötige Wortbestandteile in zusammengesetzten Nomen weglassen: warum „Mini-Wäscheklammer“, wenn „Klammer“ reicht?
  • geläufigere Synonyme verwenden, auch wenn die Bedeutungstiefe minimal verloren geht

Und natürlich noch etwas ganz schwieriges: die Aussage auf das nötigste Beschränken. Man kann nicht nur Wörter weglassen, sondern oft auch ganze Paragraphen. Was musst du wirklich erklären? Was ist nur nettes Zusatzwissen, das jetzt allerdings Platz blockiert, den man auch für wichtigeres verwenden könnte? Auch das ist eine wichtige Überlegung.

Berechnungsfreundlichkeit

Vor einer Weile habe ich mal ein Buch vorgestellt, in dem ein wichtiges Konzept eingeführt wird: Berechnungsfreundlichkeit. Es geht darum anderen wo immer möglichst möglichst wenig Berechnungen aufzuhalsen. Die Probleme, mit denen sie sich herumschlagen müssen, simpel zu halten. Denn denken (Probleme lösen) ist anstrengend und in solchen Fällen per Design vermeidbar.

Und genauso beim Sprechen: Wenn du mit simpler Sprache sprichst, übernimmst du die schwierige Aufgabe des vorher Durchdenken und mit maximaler Einfachheit Präsentieren. Alle anderen haben dann mehr Denkkapazitäten übrig das ganze zu verstehen, dauerhaft abzuspeichern und tatsächlich in ihrem Leben anzuwenden.

Was ist dir das wert?

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