Warum fällt mir Geschichten erzählen so schwer?

Ich bin jemand, der nur sehr wenige Geschichten erzählt. Ich beantworte Fragen gerne präzise und knapp. Da fallen ausholende Geschichten einfach weg. Ich kürze sie heraus, weil ich die Frage ohne sie noch viel knapper beantworten kann.

Oder das rede ich mir zumindest ein. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen sie die bestmögliche Option sind: Geschichten können nämlich ein ziemlich mächtiges Kommunikationswerkzeug sein, sobald es um Gefühle und ähnliches geht. Konzepte eben, die sich nicht so einfach in Worte fassen lassen. Da erzählt man dann doch eine Geschichte, in die sich die anderen hinein versetzen. Und wenn sie gut erzählt wurde, dann entstehen die selben Gefühle im Empfänger, aus denen der Erzähler geschöpft hat, die er Erzähler versucht hat zu vermitteln. Wichtig ist: Dabei wurden die Gefühle nie direkt in Worte gefasst. Vielmehr wurde eine Situation beschrieben, in der man selbst sie empfunden hat, wodurch der andere sie nachempfinden kann. Das können nur Geschichten: Aus Worten eine Welt erschaffen, in die man sich hineindenken kann.

Außerdem sind Geschichten natürlich hervorragend dafür geeignet, andere zu unterhalten. Man kann sie erzählen, weil sie so witzig sind, uns Angst gemacht haben, oder sie irgendeine andere Emotion hervorgerufen haben. Ist eigentlich egal. Solange sie im Zuhörer auch eine Emotion hervorrufen, werden sie sicherlich zuhören. Besonders, wenn es witzig oder zumindest spannend ist.

Man kann sich diese Szenarien einfach erschließen, wenn man über die Daseinsberechtigung von Geschichten nachdenkt: Es geht um die Neuerschaffung von Situationen mit den eigenen Worten, damit andere sie auch erleben können. Das ist eine enorm mächtige Form der Kommunikation. Denn bei Kommunikation geht es ja letztendlich darum, Gedanken zwischen zwei Gehirnen auszutauschen. Und Emotionen lassen sich eigentlich nur so kommunizieren.

Man kann sich diese Szenarien einfach erschließen, also bin ich mir ihrer auch bewusst. Logischerweise versuche ich also gelegentlich mal eine Geschichte zu erzählen. Dabei wird dann schnell klar: Ich kann es wirklich nicht gut. Woran liegt das? Warum fällt mir Geschichten erzählen so schwer?

Man könnte natürlich einfach behaupten, das mir die Übung fehlt. Ich habe ganz zu beginn ja schon erklärt, dass ich das nur ganz selten mache, weil ich mich normalerweise eben gerne noch kürzer halte und ich auch normalerweise nicht einfach zu reden anfange und von einem spannenden Erlebnis erzähle. Und ich merke auch, dass ich besser werde, je öfter ich es versuche. Aber damit sollte man sich nicht zufrieden geben. Natürlich kann man daraus bereits den Schluss ziehen, dass ich noch öfter Geschichten erzählen sollte, um mich selbst zu trainieren. Aber wenn man hier aufhört, verpasst man die ganzen spannenden Einsichten, die sich noch finden lassen, wenn man mal etwas tiefer buddelt.

Wieso habe ich so wenig Übung beim Geschichten erzählen? Warum fehlt mir der Stoff, wenn ich doch mal eine Geschichte erzählen möchte?

Die zweite Frage beantwortet schon fast die erste: Normalerweise habe ich nicht so viele Sachen, die ich überhaupt erzählen möchte, dass es überhaupt für eine ganze Geschichte reicht. Dann mache ich es auch einfach nicht und habe dadurch viel weniger Versuche als andere, die einfach irgendwas erzählen. Womöglich weil sie sich selbst gerne reden hören. Wer weiß?

Ich persönlich habe immer die Überlegung, dass ich eigentlich gar nichts erzählen möchte, das nicht auch dem Zuhörer ein bisschen Mehrwert bringt. Ein bisschen Amüsement als Mehrwert zu erkennen fällt mir noch schwer, aber ich komme ihm näher. Wenn ich eben eine Geschichte erzähle, soll es auch gerechtfertigt sein. Ich höre lieber zu und lerne dabei etwas über andere Menschen. Wenn ich rede, lerne ich nichts, nur die anderen (was ja auch gelegentlich erstrebenswert sein kann). Insbesondere lerne ich sie nicht kennen, was mein eigentliches Ziel in Interaktionen ist. Dass ich also weniger Geschichten erzähle – normalerweise gar keine -, stattdessen kurze Anmerkungen mache und vor allem Fragen stelle, ist nur logisch. Die Geschichten sind einfach Kollateralschäden meiner Bemühung andere besser kennenzulernen, anstatt ihnen meine vermutlich völlig irrelevanten Geschichten aufzudrängen.

Vielleicht wäre es gut, mir klar zu machen, dass man andere auch kennenlernen kann, indem man beobachtet, wie sie auf eine Geschichte reagieren. Da gibt es bestimmt Unterschiede. Wer findet was witzig? Wo passt jemand besonders gut auf? Während der Mund redet, kann man immer noch mit den Augen zuhören. – Natürlich nur in einem gewissen Rahmen, da in guten Geschichten die Augen natürlich auch an der Erzählung beteiligt sind. Wenn überhaupt werden all diese Informationen unterbewusst aufgenommen und den Personen zugeordnet. Während wir erzählen verbessert sich also sehr wohl, zumindest im kleinen Maßstab, unser Verständnis für unsere Zuhörer. Es hat durchaus seine Daseinsberechtigung gelegentlich Geschichten zu erzählen. Und du willst den anderen ja auch eine Chance geben, dich kennenzulernen. In dieser Hinsicht ist das auf jeden Fall ein Mehrwert für sie.

Aber jetzt zurück zu der Stoff-Frage: Warum fehlen mir die Inhalte, wenn ich dann doch mal eine Geschichte erzählen will? Normalerweise kann ich nur dann eine Geschichte erzählen, wenn ich auch etwas spannendes zu erzählen habe. Und das ist gar nicht so häufig. Wenn ich mir auf Knopfdruck etwas aus den Fingern saugen will, klappt das einfach nicht.

Und zwar nicht, weil mein Leben so langweilig ist. Da tauchen noch nicht einmal langweilige Details auf. Selbst die könnte man ja mit ein bisschen Übung in eine spannende Geschichte verstricken.

Vielmehr denke ich, dass es daran liegt, wie sehr ich im Augenblick lebe. Ich bin mit meinem ganzen Bewusstsein in der aktuellen Situation und wenn sie sie ändert oder ich woanders hingehe, kommt es komplett mit. Normalerweise beobachte ich mich nicht selbst und sammle dabei Erzählungs-würdige Momente. Das kann ich einfach nicht.
Diese Ansage „ich lebe im Jetzt“ kommt vielleicht ziemlich weise herüber, aber das hat auch noch andere Nachteile. Zum Beispiel denke ich auch kaum an wichtige Personen in meinem Leben, solange sie nicht im selben Raum sind. Sie werden einfach vergessen. Wie kann das denn sein? Das ist durchaus nicht angemessen!

Also vielleicht sollte ich eine Art Datenbank interessanter Geschichten aus meinem Leben anlegen, um diesem Effekt entgegenzuwirken. Immer wenn ich etwas spannendes, witziges oder anderweitig relevantes erlebe, wird es dort abgelegt, und dann habe ich doch ein bisschen Stoff zur Verfügung, wenn ich eine Geschichte erzählen will.

Mal sehen, vielleicht bekommt ihr auch noch die eine oder andere Geschichte aus meinem Leben zu hören!

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