Die Probleme beim „im Jetzt leben“

Dieses bisschen Weisheit kennt doch jeder, oder? (Auch wenn nur wenige schaffen es zu befolgen.) Man sollte im Jetzt leben, anstatt ständig der Vergangenheit hinterher zu trauern oder sich mögliche Zukünfte auszumalen. Beides ist nicht der Moment, in dem man sich physikalisch befindet. Es hat sicherlich auch seine Daseinsberechtigung. Aber ganz grundsätzlich ist es nun mal besser auch in Gedanken dort zu sein, wo man sich physikalisch aufhält.

Natürlich ist es wertvoll sich an die Vergangenheit erinnern zu können, um aus ihr lernen zu können. Nur so weiß man, was gute und was schlechte Konsequenzen nach sich zieht. Aber gleichzeitig ist es gefährlich, falls man gar nicht mehr aufhören kann in den guten alten Zeiten zu schwelgen. Damals, als alles noch besser war. Vielleicht hat sich dein Leben einfach Schritt für Schritt verändert. Wie konnte das passieren? Vielleicht gab es einen ganz klaren Schicksalsschlag, nach dem alles anders war. Warum du? Wie hätte dein Leben heute aussehen können, wenn das nie passiert wäre?

Stopp! Denk gar nicht erst darüber nach. Was bringt dir das schon? Selbst wenn du über alternative Entwicklungen der Geschichte nachdenkst, wirst du ja doch niemals etwas daran ändern können, dass es genau so gekommen ist, wie es gekommen ist. Vielmehr verpasst du dann deine Chance im Jetzt. Jeder hat doch die Möglichkeit den Lauf der Geschichte zu verändern, indem er im Jetzt aktiv mitwirkt. Wer weiß schon genau, was wodurch ausgelöst wird. Verfolge hier und jetzt deine Ziele, anstatt über die Vergangenheit nachzudenken oder darüber, wie es hätte anders kommen können.

Das selbe gilt aber natürlich auch für die Zukunft. Natürlich ist es sinnvoll für mögliche Zukünfte planen zu können. Nur so hast du dann, sobald es eintritt, eine Chance überlegt zu reagieren. Aber gleichzeitig ist es fast noch gefährlicher als die Vergangenheit. Wenn du nur noch in deiner Fantasie dessen schwelgst, was alles sein könnte, vergisst du dich anzustrengen, um das tatsächlich Realität werden zu lassen. Vor allem hast du dann gar keine Motivation mehr. Du hast es ja schon mal „erlebt“, ohne dich dafür anstrengen zu müssen. Dein Kopf sieht keinen Zweck darin, dass du dich jetzt doch anstrengst. Und schon ist es aus mit deinem Plan.

Eine gewisse Menge Planung ist also durchaus sinnvoll, irgendwann hören die Vorteile aber auch schnell wieder auf. Wenn du es übertreibst dir dein Ziel vorzustellen, ist das schädlich für deine Fähigkeit es tatsächlich zu erreichen. Ein klares Gefühl für die Richtung ist wichtig. Womöglich solltest du auch über die verschiedenen Abzweigungen auf der Reise nachdenken. Dann ist es aber auch schon genug. Dann musst du dringend damit anfangen deinen Plan in die Tat umzusetzen. Wie schnell kannst du ihn erreichen? Warum nicht in der halben Zeit? Das sind die richtigen Fragen. Nur so kannst du dich wieder von den faszinierenden Möglichkeiten der Zukunft lösen.

Da gibt es ja auch diesen anderen Spruch: Wenn du dich nur auf morgen konzentrierst, erhältst du ein leeres gestern. Es ist schon sinnvoll zu empfehlen so viel wie möglich im Jetzt zu leben.

So viel wie möglich? Eher nicht, aber eben einen Großteil der verfügbaren Zeit. Ich weiß, dass es da dann auch irgendwann zu Problemen kommen kann. Interessanterweise fällt mir das nämlich ziemlich leicht, dieses im Jetzt leben. Ich halte mich nicht lange mit den vergangenen Ereignissen auf, sondern nehme sie eben als gegeben hin. Vielleicht gelingt mir sogar in Grundzügen die Kunst des Amor Fati. Und mit der Zukunft genauso. Ich habe eigentlich schon eher zu wenig Pläne, als zu viele.

Und da lassen sich schon die Probleme erahnen. Wenn man es nämlich völlig vernachlässigt mal über Vergangenheit oder Zukunft nachzudenken, fehlen einem plötzlich all die daraus entstehenden Vorteile. Man lernt nicht mehr aus seiner Vergangenheit. Vergisst vielleicht sie in seinem Verhalten zu beachten. Man plant auch nicht für die Zukunft. Stattdessen treibt man halt planlos durchs Leben. Das hört sich definitiv nicht wie die richtige Art zu Leben an. Viel zu hedonistisch.

Und noch schlimmer: Man vergisst ganz einfach Dinge und Personen, die gerade nicht anwesend sind, egal wie wichtig sie für das eigene Leben sind. Sie sind nicht da, also fallen sie in die Bereiche Vergangenheit und Zukunft. Manchmal wäre es schon ganz gut, an sie zu denken, oder?

Es wird also ganz klar: Nur im Jetzt zu leben bringt auch seine Nachteile mit sich. Die richtige Herangehensweise ist also sich im richtigen Maß mit diesen drei Optionen zu beschäftigen. Den Großteil deiner Zeit solltest du trotzdem möglichst präsent in der einen Situation sein, in der du dich gerade befindest. Gleichzeitig darfst du aber auch nicht völlig vernachlässigen über vergangenes nachzudenken, um daraus zu lernen, oder für die Zukunft zu planen.

Interessanterweise gibt es eine simple Gewohnheit, die dieses Defizit perfekt ausfüllt: 2 mal „denken“ pro Tag.

Wer am Morgen seinen Tag plant, indem er aufschreibt, was er alles machen wird oder nicht machen wird. Mit wem er wie interagieren wird. Was seine Ziele für diesen Tag, diese Woche sind. Der hat dadurch sicherlich genügend Planung für den täglichen Bedarf betrieben. Gelegentlich sollte man aber noch weiter in die Zukunft schauen. Wie weit planst du voraus? Ein Jahr? Zwei Jahre? Schaffst du 30, 40, 50 Jahre? Beginne mit dem Ende vor Augen: Lebe ein Leben, mit dem du auch auf dem Sterbebett zufrieden bist.

Und wenn man dann noch am Abend den Tag Revue passieren lässt, hat man auch die zweite Seite abgehakt: Man lernt aus den Erfahrungen des Tages. Lernt auch, wie man am nächsten Tag noch besser planen kann all die Dinge zu erledigen, die man sich vorgenommen hat.

Dieses Paar von 2 zusammengehörigen Sitzungen pro Tag ist ziemlich mächtig. Du kannst dabei in ein Tagebuch schreiben oder nicht, die endgültige Form ist eigentlich ziemlich egal. Richtig ausgeführt (achte halt einfach auf die beschriebenen Kriterien ;)) bringt es die perfekte Menge Zukunft und Vergangenheit in dein Leben. Dazwischen kannst du dann völlig im Hier und Jetzt leben. Der einen Sache vor deiner Nase deine volle Aufmerksamkeit widmen. Deine Aufgaben und Pläne mit Konzentration verfolgen. Gelegentlich auch Flow erleben.

Also. An welcher Stelle musst du noch üben? Ich bin mir sicher du kannst es lernen und sogar diese zuletzt beschriebene Gewohnheit in dein Leben integrieren. Wann wirst du damit anfangen, wenn nicht jetzt?

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