Deine Realität ist eine Illusion

Du weist was echt ist und was du dir nur einbildest, oder? Nun, ich habe schlechte Nachrichten für dich. Das meiste, was du über die Welt weißt, stimmt gar nicht. Oder zumindest solltest du dir nicht so sicher sein. Dein Kopf hat das meiste einfach erfunden. Herein kommt ein endloser Strom unzusammenhängender Sinneseindrücke, zerstückelte Informationen über die Welt. Dein Verstand macht daraus eine sinnvolle Geschichte, deine Realität. Du bemerkst die Lücken oft nicht einmal.

Aber, deine Realität ist nicht die Realität.

Deine Geschichte, wie die Welt funktioniert, was du heute alles erlebt hast, ergibt sicherlich Sinn. Das muss sie ja auch. Andernfalls würdest du ja nicht daran glauben.

Aber sie stimmt nicht.
Vieles ist einfach dazu-gedichtet worden. Sicherlich gibt es Ecken und Enden, die auf tatsächlichen Fakten beruhen, aber schon deine Wahrnehmung verzerrt das, was wir Realität nennen. Und diese Fakten sind spärlich verteilt in der reichen Landschaft deiner Interpretationen.

Analysiere deine Vorstellungen doch mal genauer. Was davon sind Fakten, die du mit eigenen Augen beachtet hast? Was davon sind deine Interpretationen, was das alles bedeutet? Erst die Interpretationen geben deiner Geschichte dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, dieses Gefühl der Durchgängigkeit. Es gibt für alles eine Erklärung und wenn doch mal eine Lücke auftaucht, ist sie schnell gestopft oder wird einfach verleugnet.

Der größte Teil deiner „Realität“ sind Interpretationen von durch deine Wahrnehmung verzerrten Beobachtungen der Welt. Woher willst du wissen, ob deine Interpretation wahr ist? Manche Vorstellungen sind über viele Jahre hinweg verfeinert worden. Du glaubst sicherlich an Gravitation. Nichts, was du bisher erlebt hast, spricht dieser Erklärung entgegen, also ist sie deine aktuelle Theorie. Genauso glaubst du daran, dass die Zeit ständig vorwärts läuft. Warum auch nicht?

Du hast aber noch viel mehr Theorien. Zum Beispiel Theorien, was deine Mitmenschen denken, oder sogar wann und warum sie etwas denken.

Wenn du mal ehrlich bist, ist dir hier sicherlich auch klar, dass soetwas eher weiter her geholt ist. Und doch fällt dir das in der Hektik des Tages nicht auf.

Du läufst durch die Welt in der Überzeugung, das meiste was du siehst zu verstehen.

Was eigentlich passiert ist etwas ganz anderes: Dein Gehirn erfindet eine Geschichte, die alle wahrgenommenen Sinneseindrücke sinnvoll erklärt. Wenn du in der Vergangenheit schon etwas über die Welt gelernt hast, wird das natürlich auch integriert. Es sollen ja nicht nur die aktuellen Sinneseindrücke einen Sinn ergeben, sondern tatsächlich alles, was du scheinbar über die Welt weißt.

Alles? Nun ja, dein Gehirn filtert erwiesenermaßen die meisten gegenteiligen Beobachtungen aus deinem Leben, lange bevor du dich ihrer bewusst werden kannst. Unsere Aufmerksamkeit kann sehr selektiv sein. Alles andere wird ausgeblendet. Meistens siehst du einfach nur das, was du erwartest zu sehen. Es erfordert schon eine große Menge Aufmerksamkeit, um auch solche Informationen zu bemerken, und dann muss man auch noch den Willen aufbringen, das auch tatsächlich in die Überzeugungen zu integrieren, die man von der Welt hat.

Es ist auf jeden Fall ein wichtiges Ziel im Leben, immer näher an die Wahrheit heranzukommen. Deine Überzeugungen zu überarbeiten, wenn sich neue Erkenntnisse auftun. Sich an keinem Glaubensgrundsatz festklammern, nur weil er ein wichtiger Teil der eigenen Identität ist. Alles ist in Veränderung. Dein Wissen über die Welt sollte es auch sein. Nur so wird es größer.

Aber was ist das eigentlich, die Welt? Niemand weiß es so genau. Du selbst und alle mit denen du kommunizieren kannst, haben sie bisher nur durch menschliche Augen gesehen. Unsere Beschreibungen basieren auf unseren Interpretationen, unserer ganz persönlichen Realität.

Die echte Welt hat keine Farben, nur Licht, das in verschiedenen Wellenlängen herumschwirrt, reflektiert, gestreut und gebrochen wird und gelegentlich auch in menschliche Augen fällt, wonach es von unserem Gehirn interpretiert wird. Es ist lediglich ein evolutionärer Zufall, dass wir gerade „grünes“ Licht besonders gut sehen. Andere Tiere haben sich auf andere Wellenlängen spezialisiert. Das prägt unsere Realität.

Die echte Welt hat keine soliden Oberflächen. Lediglich winzig kleine Teilchen, die von unglaublich starken Kräften so fest zusammengehalten werden, dass sie unseren Berührung großen Widerstand entgegen bringen können. Diese Teilchen sind kleiner als die Wellenlänge von Licht, also wird es einfach reflektiert. In unserem Kopf entsteht die Vorstellung einer vollständigen Oberfläche. Könnten wir viel feiner sehen, wüssten wir vielleicht, dass es anders ist. Unsere stärksten Mikroskope beweisen, dass es anders ist.

Aber ist das so wichtig?

Es ist natürlich spannend zu erfahren, wie die Welt wirklich funktioniert. Es ist natürlich spannend durch Experimente immer mehr herauszufinden. Aber wir brauchen das nicht, um mit unserem täglichen Leben zurecht zu kommen. Uns reichen die groben Annäherungen, unsere aktuellen Interpretationen. Sie helfen uns, uns richtig zu verhalten. Die Wahrheit zu kennen, wäre viel zu aufwendig. So viel Rechenkraft hat unser Gehirn gar nicht.

Und doch ist es wichtig, dass du das nicht vergisst, was du spätestens heute erkannt hast: Was du siehst, hörst, schmeckst, weißt, ist nicht die Realität. Das sind nur elektrische Signale in deinem Gehirn, von deinem Verstand interpretiert. Es ist dein Verstand, der die Beschriftung „scharf“ verteilt, der dir sagt, dass etwas „rund“ und „grün“ ist. Du könntest genauso gut ein Gehirn sein, das an einen super fortgeschrittenen Computer angeschlossen ist, der ihm all dieses Sinneseindrücke vorgaukelt und berechnet, wie sich die simulierte Welt verändert, sobald dein simulierter Körper genau das macht, was die Signale verlangen, die dein Gehirn aussendet.

Vielleicht ist ja sogar dein Gehirn simuliert. Du würdest es niemals wissen.

Sei dir also nicht so sicher bei all dem, was du über die Welt weist.

Bleibe offen für alle neuen Informationen, anstatt an einer willkürlichen Erklärung festzuhalten.

Sei lieber aufmerksam. Dann kannst du es bemerken, wenn dein Gehirn wieder anfängt eine neue Realität zu erfinden. Dann kannst du es ausbremsen und erst mal auf weitere Eindrücke warten. Du brauchst gar keine vollständige Interpretation. Sie ist ja eh nicht richtig. Beschränke dich auf die absolut notwendigen Vermutung zur Funktionsweise der Dinge. Damit hast du schon mehr erreicht, als die meisten.

Also. Was weißt du über die Welt? Bist du bereit all deine Überzeugungen loszulassen und nochmal von vorne zu beginnen?

Bist du bereit, die Welt zu erfahren ohne sie zu interpretieren, eine Geschichte zu erfinden, zu erklären, warum alles so ist, wie es ist?

Du brauchst die Geschichte nicht.

Traue dich in einer Welt zu leben, in der du nicht alles verstehst, was du siehst, hörst und fühlst. Das ist viel näher an der Wahrheit. So ist die Realität.

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