Heute ist die Abiturprüfung in Mathematik. Das habe ich zum Anlass genommen ein bisschen darüber nachzudenken, wie man am besten Mathematik verstehen kann.
Denn wenn man einfach die in der Schule vorgestellten Regeln befolgt, wendet man sie gerne auch mal falsch an.
Man sollte also ihre Hintergründe kennen, um in der richtigen Situation auf die richtige Weise die richtige Regel zu befolgen.
Um Mathe effektiv verstehen zu können, muss man aber erst mal folgendes Wissen:
Was ist Mathematik?
Mathematik ist riesiges Gedankenkonstrukt.
Auf ein paar Grundannahmen (Axiome) aufbauend, werden alle anderen Erkenntnisse und Methoden gefolgert.
Diese hat sich aber nicht ein Mensch plötzlich ausgedacht, sondern sie wurden im Laufe der Jahrhunderte von verschiedenen Mathematikern weiterentwickelt.
Ganz am Anfang kannte man zum Beispiel nur positive, ganze Zahlen. Sie wurden schließlich zum Zählen von Vorräten benutzt.
Irgendwann wurde dann die 0 erfunden und man begann auch negative Zahlen zu verwenden, um zum Beispiel Schulden darzustellen.
Ziemlich früh wurden auch schon Brüche verwendet, auch wenn die verwendeten Zahlensysteme meist große Hürden darstellten.
Der nächste Schritt kam als im alten Ägypten das rechnen mit Termen erfunden wurde. Als dann auch noch das arabische Zahlensystem verbreitet wurde, war die Mathematik auf einem Level angelangt, dass man plötzlich viel mehr damit anfangen konnte als einfach nur Vorräte zählen.
Integral- und Differenzialrechnung wurde dagegen erst in den letzten 400 Jahren entwickelt. Damals hatte man bemerkt, dass sich viele natürliche Gesetzmäßigkeiten als Flächen unter einem Graph berechnen lassen. Also begannen die Mathematiker die Gesetzmäßigkeiten dieses neuen Gebiets zu erforschen. Heraus kamen die „einfachen“ Regeln die man heutzutage in der Schule für das Ableiten lernt.
Darüber hinaus gibt es bestimmt noch unzählige weitere Methoden und Prinzipien von denen ich nur leider in der Schule noch nichts gehört habe. Sie werden meistens für Studenten aufgehoben.
Diese bauen auch auf den vorherigen Erkenntnissen auf.
Mathematik ist also ein großes Gebilde von aufeinander aufbauenden Erkenntnissen und Methoden, die im Laufe der Zeit entwickelt wurden.
Man könnte also sagen, dass im Fach Mathematik der Wissensturm eher in die Höhe gebaut wird, während andere Fächer eher eine breite Basis schaffen.
Wenn man in anderen Fächern mal zwischendurch 1-2 Stunden fehlt ist das nicht besonders schlimm. Im schlechtesten Fall versteht man halt das gerade besprochene Thema nicht. Beim nächsten Thema, das sich im Wissensturm daneben nicht darüber befindet, kann man dann trotzdem erfolgreich mitlernen.
Wenn man aber in Mathematik mal fehlt, verpasst man schnell wichtige Zwischenschritte im Verständnis von allem, was danach (also darüber) kommt.
Man darf beim Verständnis von Mathematik also keine Zwischenschritte auslassen.
Wie versteht man also Mathe?
Ganz am Boden des Mathe-Wissensturms stehen die grundlegenden Konzepte die als wahr angenommen werden.
Von diesen ausgehend werden dann alle weiteren Prinzipien definiert.
Zum Glück muss man diese grundlegenden Konzepte nicht auswendig lernen.
Man hat nämlich schon von Geburt an ein gewisses a priori Wissen, auf dem man aufbauen kann.
Zum Beispiel kann man von anfang an zwischen größer und kleiner unterscheiden. Außerdem besteht ein Grundverständnis für Mengen, also positive ganze Zahlen.
Außerdem bietet die Grundschule meist eine solide Unterlage für das Verständnis von Mathematik.
Von dort aus muss dann jeder versuchen den Wissensturm Stufe für Stufe hinaufzuklettern.
Wer zwischendurch etwas verpasst, kann alles darüber nur durch stures Auswendiglernen verstehen.
Außer natürlich man holt die Lücken selbstständig nach.
Im Internet gibt es eine Menge hervorragende Ressourcen für dieses Ansinnen.
Ganz besonders gut finde ich zum Beispiel die Essence of Calculus Serie von 3Blue1Brown auf Youtube.
Wenn man dann also verschiedene Prinzipien verstanden hat, muss man sie möglichst oft anwenden. Nur so kann das Gehirn die Prozesse abspeichern und irgendwann automatisch ablaufen lassen.
Dieses Abstrahieren ist der nächste Schritt beim Verstehen von Mathematik.
Abstraktion
Abstraktion bedeutet, dass man sich keine Gedanken macht, wo etwas herkommt. Man weiß einfach, dass es stimmt, und kann dann von dieser Basis aus die Aufgabe mit weniger Denkaufwand lösen.
Man muss nämlich nicht mehr die ganze Zeit alle Denkschritte durchführen, die zu einer bestimmten Erkenntnis geführt haben, es reicht diese einfach anzuwenden.
Wenn man auf diese Weise die Komplexität aus dem Problem heraus nimmt, geht es viel leichter zu lösen.
Besser als direkt Auswendiglernen
Man könnte jetzt zwar behaupten, dass das jetzt das gleiche ist, wie wenn man die Regeln einfach auswendig lernt, aber dem ist nicht so.
Zum einen werden die Methoden durch den oben geschilderten Verständnisprozess viel besser im Gehirn verankert.
Wenn man einfach nur die einzelnen Schritte auswendiglernt ohne zu Verstehen, warum man das eigentlich gerade macht, wird das Ganze nicht gerade gut behalten.
In dem Fall, dass man freiwillig abstrahiert, ist es aber so, dass man aufgrund des eigenen Verständnisses, wo die Regeln herkommen, sich diese einfach und fehlerfrei merkt.
In diesem Fall kann man sie flüssig anwenden, ohne viel Zeit darauf zu verschwenden, erst mal überlegen zu müssen, was genau man gerade eigentlich rechnen soll.
Zusätzlich kann man sich dann im Zweifelsfall erfolgreich Gedanken machen, ob eine bestimmte Regel in diesem Fall tatsächlich hier angewendet werden darf.
Man weiß schließlich, aus welchem Grund man was rechnet, und kann dann auch selbstständig einen anderen Weg finden.
So kann man aufgrund seines Verständnisses zielsicher immer die richtigen Methoden anwenden und kommt mit ein bisschen Konzentration immer zum Ziel.
Konzentration für erfolgreiches Anwenden
Das ist nämlich die letzte Voraussetzung: Man muss sich beim rechnen von Aufgaben konzentrieren.
Auf diese Weise bemerkt man auch die kleinen Details, die vielleicht eine andere Vorgehensweise erfordern.
Besonders bei Textaufgaben ist das essentiell. Im Gegensatz zu anderen Aufgaben, wo direkt da steht, was man anwenden soll, muss man bei diesen nämlich erst mal herausfinden, was eigentlich ausgerechnet werden soll.
Man sucht also zuerst alle gegebenen Informationen heraus und schreibt sie sich übersichtlich auf. Dann muss man nur noch die Frage umwandeln in eine Arbeitsanweisung, was genau man gerade Berechnen soll. (zum Beispiel das Maximum einer Funktion)
Und schon hat man eine der einfach bearbeitbaren Aufgaben, bei denen man genau weiß, was man machen soll.
Wenn man dann noch daran denkt einen Antwortsatz zu schreiben, in dem man die ursprüngliche Frage beantwortet, hat man das ganze bereits geschafft.
Zum wiederholen: Essentiell für das Verständnis von Mathematik ist zu wissen, warum wann welche Regeln angewendet werden!
Das sollte man also versuchen zu verinnerlichen.
Mathematisches Verständnis
Julian