Das Problem mit der Hemmschwelle

Jeder hat schon mal von der persönlichen Hemmschwelle gehört, oder?

Manche Dinge brauchen ein bisschen Überwindung, bevor man sie das erste Mal macht. Generell hat jede Handlung immer eine Hemmschwelle, aber sobald man eine Sache das erste mal gemacht hat, sinkt diese gewaltig. Das heißt, sobald man einmal etwas gemacht hat, wird man sich in Zukunft viel leichter dazu überreden können – wenn man überhaupt Überredung benötigt.

Das betrifft grundsätzlich jedes Verhalten. Reaktionen auf bestimmte Dinge, typische Aussagen, die man immer wieder trifft, oder auch Handlungen. Grundsätzlich werden diese Verhaltensweisen nicht selektiv behandelt, sie alle werden gehemmt. In diesem Artikel werden wir uns aber auf die negativen Konsequenzen konzentrieren, die daraus erwachsen, dass man negatives Verhalten einmal macht, und danach immer wieder, weil die Hemmschwelle gesunken ist.

Übrigens ist die Hemmschwelle auch von den anwesenden Personen abhängig. Vor manchen Leuten will man ein bestimmtes Bild erwecken. Oder sie würden einen bestrafen, wenn man sich nicht richtig verhält. Andere wiederum ermutigen einen zu bestimmen Handlungen, die man ansonsten vielleicht nicht machen würde. Man kann von niemandem erwarten, sich dagegen sträuben zu können, wenn die Leute mit denen man immer abhängt, einen zu bestimmten Dingen überreden wollen.

Die Hemmschwelle

Deine Hemmschwelle hat 2 Komponenten. Einmal eine grundsätzliche Fähigkeit sich gegen bestimmte Dinge zu entscheiden und zusätzlich dazu starke Abneigungen gegenüber speziellen Dingen.

Der erste Teil ist der, der z.B. durch Alkoholkonsum hauptsächlich herunter gesetzt wird.
Wir werden uns dagegen nur um den zweiten Teil kümmern. Denn hier ist die Stelle, an der die Tatsache ansetzt, dass es beim zweiten Mal immer leichter geht.

Dieser zweite Teil ist also eine starke Abneigung gegenüber speziellen Handlungen. Diese kann man als Gründe, die dagegen sprechen, betrachten.
Nur leider fällt ein Großteil dieser Gründe weg, sobald man es das erste mal gemacht hat:

Gründe, die nur vorher dagegen sprechen

Da gibt es zum einen eine generelle Unwissenheit.

Was wären die direkten körperlichen Folgen, die aus dieser Handlung resultieren würden? Man hat vielleicht schon manches bei anderen Leuten gesehen, aber Menschen unterscheiden sich. Woher soll man also wissen, wie schlimm es bei einem selbst ist?

Würde man dafür bestraft werden? Vielleicht hast du ein gewisses Gefühl, dass gewisse Verhaltensweisen von bestimmten anwesenden Leuten überhaupt nicht gerne gesehen werden und sie dich dafür bestrafen würden. Oder dir wurde bereits eine Strafe angedroht. Wie auch immer, woher sollst du wissen, wie schwer die Strafe ausfallen würde?

Wie würden die anderen anwesenden Personen reagieren? Das nenne ich nochmal separat, weil ja nicht alle dich direkt bestrafen können/dürfen. Andere wenden sich vielleicht einfach nur von dir ab und hängen in Zukunft mit anderen Leuten ab. Oder sie erzählen ihnen sogar, was für ein komischer Typ du eigentlich bist. Solange du nicht weißt, wie die Anderen darauf reagieren würden, kannst du es nicht einfach so machen. (Ich zumindest nicht).

Und natürlich die Angst vor dem Unbekannten. Die gibt es ja immer, wenn man etwas noch nie gemacht hat.

Die Tatsache, dass man all das nicht weiß, spricht für die meisten dagegen bestimmte Dinge auszuprobieren. Zum Beispiel sich auf bestimmte Art und Weise zu verhalten. All das muss man also überwinden, bevor man sich das erste mal traut etwas zu machen.

Warum es nach dem ersten Mal leichter fällt

Zum einen fällt dann natürlich diese ganze Unwissenheit weg, die einen vorher davon zurückgehalten hat. Man ist nicht mehr unwissend bezüglich der oben genannten Punkte und unbekannt ist die Sache auch nicht mehr. Zumindest was alle anwesenden Personen betrifft ist man jetzt ausreichend informiert, was zukünftiges Verhalten angeht. Nur in der Gegenwart von neuen Personen, hält man sich vielleicht wieder zurück.

Außerdem wurde jetzt ein neuronaler Pfad in deinem Gehirn angelegt. Während du dich beim ersten Mal aktiv dafür entscheiden musstest etwas zu machen und danach auch noch aufmerksam die Aktion durchführen musstest, geht das in Zukunft viel automatischer.
Das Dafür entscheiden wird durch Gewohnheit ersetzt. Das Durchführen der Aktion auch. Umso öfter man etwas macht, desto besser funktioniert dieser Pfad, desto weniger Aufmerksamkeit muss man der Handlung schenken.

Und sobald man das ganze im Autopilot durchführen kann, ist die Hemmschwelle praktisch auf Null gesunken. Jetzt ist es zu spät. Die übrigen Gründe, die noch dagegen sprechen, können einen nicht mehr aufhalten:

Gründe, die danach auch noch dagegen sprechen

Vielleicht ist es etwas, das man nicht machen sollte. Möglicherweise ist die Handlung gesellschaftlich verpönt, wird als unhöflich angesehen oder es ist einfach rücksichtsvoll es nicht zu tun. So etwas ist vielleicht sogar die einzige Begründung, der man sich wirklich bewusst ist. Alle anderen liegen einfach nur im Unterbewusstsein vor und man findet sie gar nicht.

Außerdem könnte man bei anderen sehen, wie schlecht es für sie ist. Vielleicht sieht man die direkten körperlichen Folgen. Oder man erkennt den negativen Einfluss, den das Verhalten auf ihre Beziehungen zu anderen Menschen oder ihren Ruf hat. Und dann entscheidet man sich dagegen es selbst auch so zu machen. Man ist schließlich intelligent.

Und schließlich kann man sich auch noch aufgrund der Konsequenzen dagegen entscheiden, die man irgendwie in Erfahrung gebracht hat. Vielleicht hat man es ja tatsächlich ausprobiert. Oder man hat es bei anderen gesehen, wie eben genannt. Manchmal hat man auch einfach nur von den Konsequenzen erzählt bekommen und das reicht einem schon.

Nur leider sind diese Gründe meistens nicht stark genug. Besonders wenn die Gründe, die ich oben genannt habe, nach dem ersten Mal wegfallen, ist die Hemmschwelle plötzlich viel zu tief. Man selbst kann sich ziemlich leicht überwinden (wenn überhaupt nötig), bzw. Werbung oder andere Leute, die persönlich mit einem reden, überzeugen einen davon.

Besonders beim letztgenannten Grund dagegen, die Konsequenzen, die das Verhalten hervorruft, gibt es ein schwerwiegendes Problem.

Das Problem mit den Konsequenzen

Oftmals ist man sich nur der subjektiven Konsequenzen bewusst, die man direkt sehen kann. Wer denkt schon daran, dass das eigene Verhalten auch einen Einfluss auf das Innenleben anderer Leute haben könnte?

Jedenfalls sieht man nur, wie das Ganze einen direkt beeinflusst. Zukünftige Konsequenzen, die mit ein bisschen zeitlicher Versetzung kommen, kann man wahrscheinlich gar nicht mehr wirklich einer bestimmten Handlung zuordnen.
Und darüber nachdenken, warum man überhaupt dafür bestraft wird, tut man auch meistens nicht. Es reicht zu wissen, dass man die Strafe überlebt, um sie nicht mehr als Hindernis zu sehen.

Dabei übersieht man viele wichtige Komponenten:
Was passiert in allen anderen Personen, die das ganze miterleben oder vielleicht sogar am anderen Ende der Handlung stehen? Man bemerkt nicht einmal die Signale, die die meisten Menschen daraufhin nach außen aussenden. Man blendet sie einfach aus oder kann sie gar nicht verstehen, weil man seinen Kopf bei anderen Dingen hat.
Genauso auch mit dem Grund für das Bestraft-werden. Man wird doch normalerweise bestraft, damit man etwas in Zukunft nicht mehr macht. Aber wieso genau soll dieses Verhalten unterlassen werden? Sobald man sie dessen bewusst wäre, könnte man es von selbst unterlassen und müsste sich nicht auf die Angst vor der Strafe verlassen.

Das größte Problem liegt also darin, dass man die Konsequenzen einer Handlung möglicherweise völlig falsch beurteilt und es gar nicht bemerkt. Dann sieht man gar keinen Grund diese Handlung in Zukunft zu unterlassen und richtet Schaden an, der weit über die Tatsache hinausgeht, dass man sich selbst daran gewöhnt diese Dinge zu tun. Die übrigen Gründe sind einfach zu schwach.

Versuche also dich zurückzuhalten. Sachen auch nur einmal zu machen, kann schon einen enormen Schaden anrichten, wenn es um deine Hemmschwelle geht, es in Zukunft nicht mehr zu machen.

Du kannst auch leben ohne diese Dinge ausprobiert zu haben.

Julian

PS: Ich habe mich hier auf negatives Verhalten konzentriert, das nach einmaligem Überwinden der Hemmschwelle leider noch öfter stattfindet. Man kann das ganze aber auch auf positives Verhalten beziehen. Sobald man sich bewusst ist, dass man es nur das erste Mal machen muss, damit es alle nächsten Male einfacher funktioniert, kann man sich vielleicht leichter überwinden, es zumindest einmal auszuprobieren. (Zum Beispiel MicroJournaling ausprobieren ;))

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