Warum jeder lernen sollte Körpersprache zu verstehen

Körpersprache oder auch nonverbale Kommunikation macht über 60% aller in einem Gespräch übermittelten Informationen aus. Sie ist der Grund warum man sich in dieser modernen Welt, in der Kommunikation dank dem Internet auch über lange Strecken spielend einfach funktioniert, immer noch persönlich vor Ort trifft, um wichtige Dinge zu besprechen.

Und doch sind die meisten Menschen völlig blind gegenüber dieser Sprache und den beeindruckenden Möglichkeiten, die daraus erwachsen, sie zu verstehen.

Um zu verstehen, warum Körpersprache so wichtig ist, muss man erst einmal wissen, wie sie entsteht. Während normale Sprache sowie unsere Gedanken und Pläne im evolutionär gesehen neusten Teil des Gehirns, dem Neocortex entstehen, wird unsere Körpersprache vom limbischen System kontrolliert.

Das bedeutet, dass wir zwar mit unseren Worten genau das erzählen können, was unsere Pläne am ehesten erreicht, unsere Körpersprache dagegen nicht lügen kann. Unser limbisches System reagiert immer sofort, ohne sich vorher noch Gedanken darüber zu machen. Körpersprache ist also viel ehrlicher als jegliche andere Kommunikation, die wir auch noch verbreiten.

Und da sie nicht durch Erziehung entstanden ist, sondern durch die Evolution im Laufe von Millionen von Jahren in unser Gehirn hinein programmiert worden ist, ist sie auch noch universal. Jeder Mensch benutzt eine sehr ähnliche Körpersprache. Zwar gibt es natürlich individuelle Ausprägungen, aber die innere Funktionsweise ist bei allen Menschen gleich.

Aufzuhören diesen höchst hilfreichen Informationen gegenüber blind zu sein, ist also eine sehr gute Idee.

Körpersprache verstehen

Um Körpersprache in Zukunft bemerken und auch verstehen zu können, musst du lernen, aufmerksam zu beobachten. Genauso, wie du aktiv zuhören musst, um alles zu verstehen, was dir gesagt wird, musst du auch konzentriert beobachten, um alle Signale zu bemerken.

Ärgere dich nicht, wenn du es zur Zeit nicht kannst. Immerhin bekommen wir derartige Fähigkeiten in der Schule nicht beigebracht. Wenn du Glück hast, hast du es dir irgendwann bereits selbst beigebracht, ansonsten musst du das halt jetzt nachholen.

Fange also an die Welt und insbesondere deine Mitmenschen aufmerksam zu beobachten. Mit der Zeit wirst du dann automatisch besser, das ist nur eine Frage der Übung.

Aber tu mir einen Gefallen: Starr niemanden auf eine gruselige Weise an. Man kann normal schauen, und trotzdem aufmerksam beobachten. Sei einfach nur nicht blind den Sachen gegenüber, die in deiner Umwelt vor sich gehen.

Um dich davon zu überzeugen, dass man es wirklich lernen kann, werde ich dir jetzt das offensichtlichste universale Verhalten erklären. Sobald du es kennst, wirst du es sehr leicht erkennen können.

Entspanntheit und Unbehagen

Fast alle Signale lassen sich in eine dieser beiden gegensätzlichen Kategorien einteilen.

Allein schon die Fähigkeit zu bemerken, wann jemand die Situation angenehm findet und wann nicht, ist sehr nützlich. Oft kann man sogar einen Grad der Beunruhigung ablesen, wenn man aufmerksam genug Ausschau hält.

Jedenfalls braucht es nur eine kleine Gefahr, sodass man in den unangenehmen Bereich kommt. Vielleicht ist jemand einem Thema nahe gekommen, über das man nicht sprechen will, vielleicht hat man sich an etwas wichtiges erinnert. Es ist sogar egal, ob es eine echte Bedrohung ist oder man sie sich nur einbildet.

Sobald man eine Gefahr wahrnimmt, reagiert unser limbisches System auf eine sehr vorhersagbare Weise.

Freeze, Flight oder Fight

Das bekannte „Fight or Flight“ deckt leider nur zwei drittel der Reaktionen ab, die man instinktiv bei Gefahr durchführt. Und noch dazu wird auch noch ein sehr wichtiger Teil vernachlässigt:

Die erste der drei Reaktionen: Sobald man sich in Gefahr fühlt, freezt man erst mal kurz. In der Steinzeit war das sehr hilfreich, da unsere Haupt-Fressfeinde alle von Bewegung angelockt wurden. Da kann es schon mal sein, dass man so einer Entdeckung entgehen kann.

Wir haben sogar einen Mechanismus, der uns ganz ruhig bleiben lässt, wenn wir andere sehen, die genauso reagieren, auch wenn wir keine Gefahr erkennen können. (Auch ein Grund, warum durch Körpersprache unser interner Zustand nach außen kommuniziert wird.)

Außerdem erlaubt dieser kleine Zeitraum ein schnelles Einschätzen der Lage, um danach eine noch bessere Reaktion zu wählen. Manchmal ist die Gefahr einfach schon viel zu nah, um ihr durch Nichtbewegen zu entgehen.

Dann ist die zweite Reaktionsvariante angesagt: So schnell wie möglich aus dem Gefahrenbereich entkommen, oder zumindest einen gehörigen Abstand dazwischen bringen.

Nur als allerletzte Notlösung wird dann zum Kämpfen gegriffen. Dabei ist schließlich immer auch das eigene Leben gefährdet.

moderne Ausprägungen

Offensichtlich leben die meisten von uns nicht auf einer afrikanischen Steppe. Trotzdem ist natürlich das selbe Reaktionsmuster auch heute noch erhalten geblieben, wir können es nicht einfach deaktivieren, jetzt wo wir es scheinbar nicht mehr brauchen. Aber es ist zumindest subtiler geworden. Heutzutage ist es meist unangebracht blitzschnell aus einem Bürogebäude zu rennen, weil man das Gesprächsthema unangenehm findet.

Jedenfalls äußern sich diese 3 Reaktionen heute etwas anders:

Freezen wird zum Beispiel durch plötzliches Stehenbleiben, wenn einem einfällt, dass daheim noch der Herd an ist, oder auch durch flaches Atmen oder Arme an die Seite pressen ersetzt. Eine Variation davon ist auch das „im Offenen Verstecken“. Also Augenkontakt vermeiden, Sichtbarkeit verringern (zusammen krümmen, kaum bewegen, Kopf ein- und Schultern hochziehen), etc.

Der Impuls zur Flucht wird heutzutage eher durch ein Drehen der Füße zum nächsten Ausgang oder das Vergrößern des Abstandes durch Weglehnen (oder einen Gegenstand dazwischen stellen – z.B. eine Handtasche) befriedigt. Und der Kampfinstinkt kommt heutzutage eher in verbalen Kämpfen (Streits) oder generell aggressivem Verhalten zum Vorschein.

Aber trotzdem sind diese Instinkte immer noch zugegen und wer aufmerksam beobachtet kann sie auch erkennen.

Zusätzlich werden sie immer von einem weiteren Verhalten begleitet:

Beruhigungsverhalten

Sobald der Stress dem Gehirn bewusst wird, sendet es Signale aus, dass es bitte wieder beruhigt wird.

Auch hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Generell bietet sich jegliches Berühren von Lippen, Gesicht, Kopf, Hals, Schultern, Armen und Beinen an, als Beruhigung zu dienen. Manche Zeichen sind sogar höchst eindeutig, wie das Abstreifen der Hände an den Beinen oder das Belüften der Kleidung am Oberkörper.

Viele dieser Zeichen könnte man auch als Herrichten des äußeren Erscheinungsbildes interpretieren. In diesem Fall ist es wichtig kurz davor eine Stressreaktion, wie ich sie eben beschrieben habe, bemerkt zu haben, um sich hierbei dann ganz sicher zu sein.

Der Kontext, in dem die Zeichen, die man zu erkennen lernt, auftreten, ist also auch immer sehr wichtig, um die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Die Kombination Freeze/Flight/Fight + Beruhigungsverhalten ist allerdings ein sehr starker und auch universaler Indikator, dass diese Person, sich von etwas bedroht fühlt. Hierbei kann man gar nicht falsch liegen.

dieses Wissen benutzen

Man kann also herausfinden, welche Themen oder welches Verhalten anderen besonders unangenehm sind und diese dann je nach Situation entweder umschiffen oder gezielt ansprechen (z.B. in einem polizeilichen Verhör).

Was man aber auch immer beachten muss, ist, dass die relative Menge der Signale Ausschlag gebend ist. Manche machen nun mal einfach mehr von einer bestimmten Sorte, erst die Abweichung von diesem Grundzustand ist eine aussagekräftige Information.

Außerdem ist es auch immer wichtig darauf zu achten, wie sich die Signale im Laufe der Zeit verändern, damit man sie tatsächlich bestimmten Themen zuordnen kann.

Und schließlich hat noch jeder seine ganz individuellen Ausprägungen. Je besser du jemanden kennst, desto korrekter wirst du also noch so kleine Signale zuordnen können. So kannst du immer besser darauf Rücksicht nehmen, was jemand fühlt oder plant und nicht einfach nur sagt.

Jedenfalls bemächtigt dich Körpersprache zu verstehen dazu, vielen Problemen in deinem Leben einfach auszuweichen. Manchmal kannst du sogar mit Leuten kommunizieren, deren Sprache du nicht wirklich sprichst und sehr oft bereichert es einfach dein Leben die Körpersprache deiner Mitmenschen zu verstehen.

Lerne das aufmerksame Beobachten!

Julian

PS: für bessere Erklärungen zur Körpersprache, lies „What every BODY is saying“ von Joe Navarro.

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