Selbstbeschummlung unmöglich machen

Was meine ich mit Selbstbeschummlung? In einer Situation, in der ein Vorsatz zutrifft, den man sich gemacht hat, wobei dieser Vorsatz allerdings den eigenen Trieben im Augenblick im Weg steht, passiert gelegentlich folgendes: Man folgt einfach seinen Trieben, allerdings nicht mit guter Begründung, die den Vorsatz tatsächlich vorübergehend außer Kraft setzen kann, sondern einfach indem man nicht allzu genau über die eigenen Taten nachdenkt. Man beschummelt sich selbst. Erst eine deutliche, innere Abscheu vor diesem Prozess (oder volle Konzentration im fraglichen Augenblick) bewirkt überhaupt erst, dass man eine Chance hat, sich dagegen zu wehren.

Normalerweise geht unser Gehirn nun mal den Weg des geringsten Widerstands. Den augenblicklichen Bedürfnissen zu widerstehen bedeutet Anstrengung, aktives darüber nachdenken lässt sich dagegen einfach unterdrücken. Logischerweise wird also der zweite Weg gewählt. Erst wenn das Gehirn lernt, dass darauf ungleich höhere Anstrengung in Form von Selbstbeschuldigungen und der gleichen folgt, kann sich die Balance zwischen den beiden Varianten etwas ausgleichen.

Außerdem hilft es, sich zu 100% zu einer bestimmten Verhaltensweise zu verpflichten, und – sobald man es bemerkt – alles gegenteilige sofort abzubrechen. 98% kommt mit einer großen Menge an Situationen, in denen man sich entscheiden muss, ob man sich daran hält oder nicht. 100% ist klar und einfach. Keine weiteren Entscheidungen nötig. Zieht man das eine Weile in einer Umgebung mit geringem Rückfall-Risiko durch, kann man dann auch immer „gefährlichere“ Situationen überstehen. Man baut eine neue Gewohnheit auf, sobald man sich oft genug auf die neue Art und Weise verhalten hat. Diese Gewohnheit überschreibt dabei Schritt für Schritt das alte Verhalten. Aber das funktioniert nicht immer.

Selbstbeschummlung

Manche Verhaltensweisen sind ganz schön störrisch. Egal wie stark du dich anstrengst, sie kommen irgendwie immer wieder zurück und greifen aus einer völlig unerwarteten Richtung an. Ok. Das war jetzt vielleicht etwas blumig ausgedrückt. Was ich meinte: Manche Gewohnheiten sind so fest verankert, dass die meisten Gegenmaßnahmen überhaupt keine Chance haben, sie auszumerzen. Nach mehr oder weniger langen Phasen der Abstinenz kommen sie oft wieder zurück, ohne dass man es verhindern könnte. Wer schon mal eine Sucht hatte und versucht hat, sie wieder loszuwerden, kann das bestimmt bestätigen. Selbstbeschummlung ist hier besonders lästig. Das erfordert dann schon ein bisschen schwerere Geschütze als bloße Willenskraft. Aber wie genau, sollte man so etwas angehen?

unmöglich machen

Das sollte der erste Schritt sein. Wenn du Selbstbeschummlung dauerhaft verhindern willst und nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen willst, der bedeuten würde, dass du einfach erst gar nicht versuchst dich zu ändern, musst du einen anderen Weg des geringsten Widerstands finden. Einen Weg, wo es anstrengender wäre die alte Verhaltensweise weiterhin auszuführen, als einfach einer neuen zu folgen. Wie? Ganz einfach: Mache die alte Verhaltensweise so unmöglich, wie nur irgendwie möglich. Unmöglich ist der maximale Widerstand.

Schaust du zu viel Fernsehen, entferne doch einfach deinen Fernseher. Wenn du ihn nicht aus dem Fenster werfen willst, kannst du ihn ja verkaufen/verschenken. Sobald du ihn aber nur in den Keller stellst, ist das Risiko zu groß, dass du ihn in einem besonders schwachen Moment einfach wieder aus dem Keller holst. Denk dran: 100%. Wenn du etwas gegen eine Fernsehsucht unternehmen willst, dann richtig. Den Fernseher brauchst du sowieso nicht mehr, wenn du deine Zeit sinnvoll verwenden willst.
Ist das Problem eher auf deinem Handy, kannst du dein Smartphone ja durch ein altes, dummes Handy ersetzen. Dann kannst du immer noch telefonieren, aber keine Zeit in süchtig-machende Apps versenken. Brauchst du noch dein Handy, kannst du ja zumindest die Kopfhörer vernichten, sodass du keine Aktivität mehr machen kannst, die gleichzeitig Bild und Ton braucht, den niemand anderes hören soll. – Zum Beispiel mitten in der Nacht, wenn du offiziell schläfst.

Und so weiter. Du musst eine Variante finden diese Sache unmöglich zu machen, soweit es eben mit den anderen Dingen vereinbar ist, die du eben doch noch machen möchtest. Du kannst nicht einfach dein Laptop verschrotten, wenn du es noch für die Arbeit brauchst, und so weiter. Aber sobald du es schaffst, diese Aktivität, die du endlich besiegen willst, unmöglicher zu machen als „etwas anderes tun“, hast du schon den ersten, größten Schritt getan.

etwas anderes tun

Sobald es wirklich unmöglich ist, wirst du Situationen empfinden, in denen das Verlangen nach der alten Aktivität unglaublich groß wird. Früher konntest du das gar nicht mitbekommen, da bist du schon vorher eingeknickt. Nur jetzt hast du ein Problem: Du kannst gar nicht einknicken. Also was machst du? Es ist jetzt Zeit für ein bisschen Selbsterkenntnis.

Als nächstes musst du nämlich die Belohnung identifizieren, die dich innerlich erwarten würde, wenn du die alte Aktivität durchführst. Hast du dann etwas zu tun, wo du nicht viel selbst denken musst? Hat es eine beruhigende Auswirkung, die du gerade unbedingt brauchst? Und so weiter. Sobald du das gefunden hast, kannst du auf die Suche nach einer anderen Aktivität gehen, die es ersetzen könnte. Vielleicht liest du endlich mal wieder ein Buch. Es sollte sowieso jeder Bücher lesen. Oder du machst einen Spaziergang. Etc.

Findest du tatsächlich etwas ist das schon der erste Bestandteil einer neuen Gewohnheit. Falls du mit dieser Sache als neuer Gewohnheit einverstanden bist, kannst du jetzt in Zukunft immer wenn du das Verlangen nach der alten Verhaltensweise verspürst, die neue Sache machen. Mit der Zeit entwickelt sich daraus eine tatsächliche Gewohnheit, die die alte ersetzt. Wie überprüfst du das dann, sodass du weißt, wann du die „Unmöglichmachungen“ wieder entfernen kannst?

kontrollierte Aussetzung

In eine ganz kontrollierten Rahmen den alten Auslösern der alten Gewohnheit zu begegnen, sollte noch kein allzu großes Risiko eines Rückfalls bewirken. Wenn du dir sicher bist, dass du stattdessen tatsächlich die neue Gewohnheit einsetzen kannst, kannst du dich immer weiter hinaus trauen, bis du irgendwann wieder die „normale“ Welt mit all ihren Verlockungen navigierst. Falls du richtig vorgegangen bist, hast du die alte Verhaltensweise jetzt dauerhaft besiegt und durch etwas neues, eindeutig erstrebenswertes ersetzt.

Wirst du das mal versuchen? Ich hoffe nicht. Denn das bedeutet, dass die Not wirklich groß ist. Wenn es aber doch mal soweit kommen sollte, kannst du dich darauf verlassen, dass „Selbstbeschummlung unmöglich machen“ tatsächlich funktioniert und du dir selbst damit helfen kannst.

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