Bücher lesen erfordert Offenheit

Hattest du schon mal ein Buch in der Hand, das du nicht mochtest? Eins dessen Aussage du für absoluten Schwachsinn gehalten hast? Sicherlich hast du es dann beiseite gelegt und dich anderen Büchern zugewandt, die mehr deinen Überzeugungen entsprechen. Daran ist ja auch erst mal nichts falsch. Niemand wird dich dazu zwingen ein Buch zu lesen. Aber vielleicht solltest du es trotzdem mal versuchen. Aus den Perspektiven, die sich von unserer eigenen Unterscheiden kann man viel mehr lernen, als wenn man sich ständig nur dieser kleinen Blase der Menschen aufhält, die mit einem selbst einer Meinung sind. Genauer gesagt, kann man nur so etwas lernen.

Aber plötzlich wird lernen gefährlich. Wenn du, um zu lernen, mit neuen Ideen interagieren musst, werden dadurch eventuell deine aktuellen Überzeugungen verändert. Willst du das wirklich riskieren? Das ist es doch, was dir aktuell Halt gibt. Du hast sie doch bisher fleißig verteidigt und siehst sie ständig in deiner Umwelt bestätigt.

Vielleicht liegt das aber auch daran, dass unser Gehirn ungemein gut darin ist, widersprüchliche Informationen unter den Tisch fallen zu lassen. Es erfindet eine Geschichte über die Welt, die diese möglichst gut beschreiben soll. Sobald man etwas gefunden hat, was in neuen Situationen trotzdem nur ein paar Sekunden braucht, redet man sich das als die Wahrheit ein. Man sieht es in manchen Dingen bestätigt. Übersieht einfach alles andere. Das Gehirn strebt danach eine Illusion der Kontinuität aufrecht zu erhalten. Dir einzubilden, dass du in einer Welt lebst, die du verstehst.

Aber gleichzeitig wird das natürlich niemals der Fall sein. Reifere Menschen wissen das und versuchen sich möglichst lange zurück zu halten, bevor sie beginnen Erklärungen zu formulieren. Je länger man beobachtet, desto größer ist der Teil der Realität, den man wahrgenommen hat, den man in Zukunft wahrnehmen wird. Aber auch da kann man offen bleiben. Solange man nicht völlig von seiner Interpretation überzeugt ist, kann man auch die übrigen Fakten bemerken und seine Interpretation der Realität, sein inneres Abbild überarbeiten. Das ist wichtig für persönlichen Wachstum.

Wie schafft man das, offen sein gegenüber neuen Fakten und Perspektiven? Das wichtigste ist, sich mit Veränderung anzufreunden. Veränderung macht vielen Angst. Aber Veränderung ist wichtig und gut. Sie bringt uns voran im Leben. Sie ist sogar eine Naturgewalt. Wenn wir uns gegen Veränderung sträuben, dann sucht sie sich einen anderen Weg. Irgendwas wird sich immer verändern und wenn wir das nicht mitgestalten ist es eben etwas anderes, zufälliges. Vermutlich ein Schritt rückwärts. Willst du das wirklich? Wenn du nicht vorwärts gehst, gehst du rückwärts. Überlege es dir genau!

Wenn du Offenheit gegenüber Veränderung lernen willst, ist es vermutlich sehr hilfreich einen unveränderlichen Kern tief in dir drin zu finden. Dabei geht es dann nicht mehr um Überzeugungen über die Außenwelt. Die kann man nicht festsetzen ohne zum Fundamentalisten zu werden. Sie werden sicherlich im Laufe deines Lebens noch sehr oft überarbeitet werden. Es geht sogar nicht mal um deine Werte, auch wenn sie schon ziemlich nah an unserem Ziel sind. Es geht um deine Mission. Das was du dir selbst versprichst, wonach du jeden Tag streben wirst, was du in deinem Leben erreichen wirst. Das kann deinen unveränderlichen Kern, deinen Mittelpunkt bilden. Sobald du es kennst, kannst du dein Leben daran ausrichten, anstatt dich an völlig zufällig gewählten Überzeugungen über die Welt festzuhalten.

Sobald du einen festen Kern hast, kannst du deine Überzeugungen loslassen. Dann kannst du dich sicher fühlen, ohne auf die Korrektheit deines aktuellen Weltbildes zu bestehen. Dann bist du offen für neues, besseres. Freust du dich schon?

Dann bist du bereit die wichtigen Bücher in deinem Leben zu lesen. Du weißt schon, die vom Anfang, die, die du vorhin beiseite gelegt hast. Du kannst sie öffnen und versuchen ihre Perspektive zu verstehen. Du musst ihr ja nicht zustimmen, aber du solltest die Chance nutzen: Hier hat jemand sein eigenes Weltbild für dich aufgeschrieben. Wenn du es verstehst, erhältst du eine zusätzliche Farbe in der du die Welt sehen kannst. Das sollte eigentlich dein oberstes Ziel sein: Die Welt immer besser verstehen, indem du immer mehr Perspektiven verstehst.

Bemerke den wichtigen Unterschied: Du musst einer Aussage nicht zustimmen, um zu versuchen sie zu verstehen. Du musst dich lediglich in den Autor hineinversetzen, seine Perspektive einnehmen und die Welt durch seine Augen sehen. Weisheit kann man in der Zahl der Perspektiven messen, die jemandem zur Verfügung stehen. Wie viele Perspektiven hast du schon gesammelt? Von wie vielen Blickrichtungen, in wie vielen Farben kannst du die Welt sehen?

Das ist der Sinn eines Buches: Dir eine neue Perspektive auf die Welt gewähren. Aber bevor du es lesen kannst, musst du erst mal offen sein für das, was es dir zu sagen hat. Vielleicht wirst du dadurch auch ein bisschen beeinflusst. Aber keine Sorge, das ist wichtig, das ist gut. Du hast ja immer noch deinen unveränderlichen Kern. Wenn sich etwas verändert, du beeinflusst wirst, dann weil du ein besseres Bild für die Welt erlangt hast, weil deine neue Perspektive noch näher an der Wahrheit ist. Und wer sagt dazu schon nein?

Also, um es zusammenzufassen: Um Bücher wirklich zu lesen, brauchst du Offenheit. Nur dadurch kannst du die Perspektiven wahrnehmen, kennenlernen, vielleicht sogar verstehen, die sich von deiner eigenen unterscheiden. Sicherlich wirst du dadurch auch gelegentlich beeinflusst. Aber das ist gut. Dadurch kommst du näher an die Wahrheit. Und noch etwas passiert: Du beginnst eine Sammlung von Perspektiven aufzubauen, durch die du die Welt betrachten kannst. Du musst ihnen ja nicht zustimmen, aber du kannst sie nutzen. Und für jede weitere Richtung, aus der du etwas betrachtest, lernst du etwas wichtiges dazu. Das solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen.

Also welche Bücher hast du in der Vergangenheit beiseite gelegt, weil sie zu wenig mit deinem Weltbild übereingestimmt haben? Ich sage nicht, dass du sie jetzt lesen musst. Aber ich sage, dass es lehrreich sein könnte. Vielleicht ist es ja ein ziemlich gutes Buch. Willst du dir das entgehen lassen?
Nun ja, das ist dir überlassen.

Vielleicht hat dich dieser Text ja überzeugt, wie viel mehr der Welt dir offen stehen kann, wenn du bereit bist dich selbst zu öffnen. Traue dich!

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